In diesem Gespräch der Experteninterviewserie wurde mit Herrn DI Dr. Karl Grabner, Vorstandsmitglied der Binder+Co AG gesprochen.
Die Binder+Co AG, ein im steirischen Gleisdorf ansässiges
Unternehmen mit über 320 MitarbeiterInnen ist Spezialist für Aufbereitungs-, Umwelt- und Verpackungstechnik und Weltmarktführer in den Bereichen Siebtechnik und Glasrecycling.
Welchen Stellenwert nimmt die Umwelttechnik in der Binder+Co AG ein und wie wird sich dieser in Zukunft entwickeln?
Die Umwelttechnik macht 44 % des Umsatzes aus, das Geschäftsfeld Aufbereitungstechnik rund 38 % und auf die Verpackungstechnik entfallen 18 %. Unsere Geschäftsfelder sind aber nicht völlig losgelöst voneinander zu betrachten.
Binder+CO entwickelt Maschinen, die einerseits in der Umwelttechnik eingesetzt werden – zum Beispiel im Glasrecycling – die aber auch in der Aufbereitungstechnik zur Verwendung kommen. Dazu werden beispielsweise Sensorsysteme entwickelt, die neben dem Glasrecycling auch in der Mineraliensortierung eingesetzt werden können.
Wie beurteilen Sie die Position von Binder+Co im Umwelttechniksegment am österreichischen Heimmarkt im Vergleich zum internationalen Markt?
Am Heimmarkt besteht eine unangefochtene Vormachtstellung der Binder+Co AG. Allerdings ist anzumerken, dass in der Umwelttechnik eine Exportquote von rund 95 % erreicht wird.
Wirtschaftlich betrachtet spielt der Heimmarkt damit eine verhältnismäßig geringe Rolle. Dennoch sind die heimischen Referenzanlagen für das internationale Geschäft eine wichtige Grundlage. Am internationalen Markt ist Binder+Co vor allem führend in der Entwicklung und Lieferung von Gesamtanlagen.
Welche Vorteile hat der Standort Österreich für ein Unternehmen wie Binder + Co?
Der Vorteil ergibt sich dadurch, dass wir eine über Jahre hinweg gewachsene, gut eingespielte Organisation sind. Das kann nicht eins zu eins in Zukunftsmärkte wie beispielsweise China kopiert werden. Zudem sind Bildungseinrichtungen
wie die TU Graz, die TU Wien, die Montanuni Leoben, die Karl Franzens Universität sowie die WU Wien, aber auch FHs und HTLs wichtige Ausbildungsstätten für unsere zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Dichte an Ausbildungsmöglichkeiten erwarten wir in den Überseemärkten nicht.
Welche Länder stellen die primären Zielmärkte für das Umwelttechniksegment von Binder+Co dar?
Zielmärkte für die Recyclingtechnologie sind in erster Linie industrialisierte Regionen wie Europa, Nordamerika, Australien,
Japan und Südafrika. Zudem wird auch China als Zukunftsregion interessant. Erste Glasrecycling-Maschinen werden von Binder+Co bereits geliefert und die Errichtung eines Assembling-Werkes in China ist ebenfalls geplant.
Was hat Binder+Co dazu bewogen, mit BUBLON ein neues Wärmedämmprodukt für die Baustoffbranche zu entwickeln?
BUBLON ist eine spezielle Entwicklung in der thermischen Aufbereitung (Trocknungstechnik) von Rohstoffen. Da die Trocknungstechnik bereits eine Basistechnologie von Binder+Co darstellt, ist die BUBLON-Technologie in dem Sinn nicht ganz neu für uns, sondern eine bisher nicht genutzte Technologie in der Rohstoffaufbereitung. BUBLON ist somit zwar ein neues Produkt, in der bedienten Branche ist Binder+Co jedoch schon seit Jahrzehnten ein bekannter Maschinenlieferant.
[Anm: Nähere Informationen zu BUBLON finden Sie hier.]
Wie wichtig sind F&E / Innovationsaktivitäten im Umwelttechnologiebereich bei Binder + Co?
Diese Faktoren spielen stets eine bedeutende Rolle. Binder+Co misst den Innovationserfolg aber nicht an den F&E-Ausgaben sondern es wird für die Berechnung der Innovationsrate der Absatz von Maschinen, die von Binder+Co
in den letzten drei Jahren neu entwickelt wurden dem gesamten Maschinenabsatz gegenübergestellt. Wenn man dies betrachtet, ergibt sich für das gesamte Unternehmen eine Innovationsrate von 20 %, wobei für Aufbereitungstechnik 5 %, für Verpackungstechnik 20 % und für die Umwelttechnik 45-50 % entfallen.
Die Innovationsrate, mit knapp 50 % im Umwelttechnikbereich bei Binder+Co, ist sehr hoch. Wieso wird nicht mehr in F&E im Bereich der Umwelttechnik investiert?
Auch wenn es verlockend klingt, werden wir die F&E-Ausgaben zukünftig
nicht wesentlich erhöhen, da jede neue Entwicklung auch Zeit braucht, um sich zu etablieren. Zudem steigen mit kürzer werdenden Entwicklungszeiten auch die Anforderungen an Vertrieb, Engineering, Fertigung, Montage und im Service.
Welche Umwelttechnologiefelder weisen Ihrer Meinung nach die höchsten Zukunftspotenziale für heimische Betriebe am nationalen und internationalen Markt auf?
Es ist davon auszugehen, dass die Nutzung erneuerbarer Energien zukünftig große Bedeutung erlangen wird. Zudem wird die Aufbereitung von Wasser vor allem international
wichtiger. Luftreinhaltung wird weltweit ein großes Thema werden. Viele internationale Kunden wollen „europäische/deutsche/österreichische“ Qualität. Probleme für Österreich und die EU könnten sich allerdings durch deutlich kostengünstigere Produktionsstandorte in den Entwicklungs- und Schwellenländern ergeben.
Wer sind die Treiber hinter der positiven Entwicklung dieser Umwelttechnologiebereiche?
Treiber sind vor allem Vorgaben, wie zu erfüllende Recyclingquoten oder Anforderungen an die Reinheitheit
von Wasser und Luft innerhalb der EU. Politische Entscheidungen und gesetzliche Vorgaben stoßen Technologieentwicklungen an. Förderungen sind ebenfalls von großer Bedeutung.
Wie schätzen Sie die Branchenentwicklung in Ihrem Bereich der Recyclingtechnologie ein?
Dieser Bereich wird immer wichtiger, weil Primärrohstoffe immer schwieriger zu gewinnen sein werden und damit vermutlich auch die Rohstoffpreise empfindlich steigen. Gleichzeitig werden die Rohstoffqualitäten durch den fortschreitenden Abbau von weniger ergiebigen Lagerstätten zunehmend schlechter, was zu einer Aufwertung der Sekundärrohstoffe und deren Aufbereitung führen kann – Stichwort Urban Mining und Rückbau von Mülldeponien.
Was ist für ein österreichisches Unternehmen notwendig, um in der Umwelttechnologiebranche eine nationale/internationale Spitzenposition einzunehmen?
Wichtig sind vor allem die Platzierung in einer Nische und eine langfristige Finanzierungsstrategie.
In welchen Technologiebereichen sehen Sie Nischen, in denen heimische Unternehmen zukünftig Marktführerschaft aufbauen können/sollen?
Die Wiederaufbereitung von alten Deponien oder Urban Mining wäre eine solche Nische. Allerdings müssen hier erst geeignete
Gesamtkonzepte entwickelt werden, um die Komplexität dieser Aufgabe beherrschbar zu machen. Ein koordinierter Zusammenschluss mehrerer heimischer Unternehmen wäre hier sicher wichtig, um auch die Chance auf weltweite Marktführerschaft wahrzunehmen.
Mit welchen Hindernissen sehen sich heimische Umwelttechnologiebetriebe Ihrer Meinung nach konfrontiert und wie kann man ihnen entgegenwirken?
Dies möchte ich am Beispiel BUBLON verdeutlichen: Wenn man ein innovatives Produkt entwickelt hat und anbietet, braucht man auch Kunden, die das Risiko auf sich nehmen und etwas Neues ausprobieren – auch wenn das neue Produkt vielleicht noch nicht
zu 100 % perfekt ist. Möglichkeiten Hindernissen entgegenzuwirken sind die Errichtung von Referenzprojekten, beispielsweise am eigenen Standort, staatliche Förderungen und das Sichern einer langfristigen Finanzierung. Und ein gut etabliertes Kundennetzwerk kann in vielen Fällen aufgrund des bereits bestehenden Vertrauensverhältnisses helfen Anfangsschwierigkeiten abzumindern.
Wo sehen Sie die heimische Umweltwirtschaftsbranche im internationalen Vergleich als führend?
Meiner Ansicht nach sind wir im Bereich der Wiederaufbereitung von Wasser und der Luftreinhaltung führend. Wobei es auch hier wichtig ist, eine Nischenstrategie zu verfolgen.
Welche internationalen Märkte spielen zukünftig die prioritäre Rolle für heimische UT-Unternehmen?
Ich sehe China/Asien und Südamerika als wichtige Zukunftsmärkte.
In geringerem Ausmaß auch den GUS-Staatenverbund. Diese Märkte werden mit Sicherheit Einfluss auf die Entwicklungen in Europa haben.
geboren 1959 in Pöllau/Steiermark
verheiratet, 3 Kinder
seit 1. Jänner 2000 Mitglied des Vorstands der Binder+Co AG
zuständig für Finanzen und allgemeine Verwaltung, Technik, Fertigung, Public und Investor Relations, Sprecher des Vorstands sowie Mitglied der Gerneralversammlung der Statec Binder GmbH, der Comec-Binder S.r.l. und der im Jänner 2012 gegründeten Bublon GmbH.
aktuelle Funktionsperiode bis 31. Dezember 2013
Nach dem Maschinenbaustudium 1986-1990 parallel zum Doktoratsstudium (Experimentelle Arbeit auf dem Gebiet der Fördertechnik) als Universitätsassistent am Institut für Fördertechnik und Konstruktionslehre an der Montanuniversität Leoben tätig.
Im Rahmen der Aktion „Wissenschafter für die Wirtschaft“ des Wissenschaftsministeriums kam Dr. Grabner 1991 zur Binder+Co AG und zeichnete dort von 1992-1999 als Produktbereichsleiter bzw. ab 1997 als Spartenleiter für die Projektierung und den Vertrieb des Produktbereichs Förder- und Silotechnik verantwortlich.