wirkl. Hofrat Dipl.-Ing. Gerhard Spatzierer; DI Dr. Wolfgang SCHERZ, MBA; DI Manfred Assmann

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In diesem Gespräch der Experteninterviewserie wurde mit Herrn wHr Dipl.-Ing. Gerhard Spatzierer, Herrn DI Dr. Wolfgang Scherz, MBA und Herrn DI Manfred Assmann vom Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV) gesprochen.

Der Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaftsverband hat 2.300 Mitglieder aus den Bereichen Wasser-, Abwasser- und Abfallwirtschaft. Die wesentlichen Leistungsschwerpunkte liegen zum einen in der Erstellung des Technischen Regelwerks und der Verfassung von Stellungnahmen zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen im Rahmen von Arbeitsausschüssen und zum anderen im Bereich der Aus- und Weiterbildung.


Wie haben sich der österreichische und der internationale Markt im Wasser- und Abwassersektor  in der Vergangenheit entwickelt und welche Konsequenzen hat das für die österreichische Industrie?

Spatzierer: In den Jahren 1975 bis 1995 lag der Schwerpunkt in der erstmaligen Ausstattung der Städte und Gemeinden mit Kanalisations- und Kläranlagen. Seitens der Wissenschaft, der Projektierung, der Bauwirtschaft und der Hersteller der technischen Anlagenkomponenten gab es hier in Österreich entsprechende Potenziale. Ab Mitte der 90er-Jahre erfolgte sodann auf Grund der Abwasseremissionsverordnungen die Anpassung der Anlagen an den Stand der Technik, der nunmehr praktisch weitgehend abgeschlossen ist. Der Bedarf an neuen Anlagen beschränkt sich nunmehr auf die Sanierung von älteren Anlagen sowie auf den Umbau bzw. Erweiterungen. Die Auftragslage der österreichischen Anlagenhersteller hat sich dadurch stark verschlechtert. Deshalb haben heimische Unternehmen auch versucht im Ausland Fuß zu fassen, was aber nur ganz wenige –oftmals nur in Kooperation mit deutschen oder anderen ausländischen Firmen – geschafft haben. Vor allem bei größeren Projekten ist die Angabe von Referenzen notwendig. Da in Österreich zwar Anlagen erweitert und adaptiert, aber nur in wenigen Fällen neu gebaut werden, ist es schwierig, Referenzen aus den letzten Jahren anzugeben. Das hat in Österreich zu einem Firmenabfluss geführt. Jene Unternehmen, die noch bestehen, beispielweise die SW Umwelttechnik, STRABAG oder die VTA GmbH sind hauptsächlich im Ausland aktiv. Das Problem der fehlenden Referenzen aufgrund von Projekten in Österreich trifft auch die Planungsbüros. Hier gibt es große Konkurrenten in den USA, Holland, Frankreich oder Deutschland.

Großes Marktpotenzial gibt es derzeit vor allem im Osten Europas. In Ländern wie der Türkei oder der Ukraine gäbe es Chancen, aber da muss man neben Know-how vor allem Kapital und Referenzen mitbringen, die örtlichen Verhältnisse gut kennen, einen lokalen Partner einbringen, um Projekte umzusetzen.


Wie schätzen Sie die Rolle der heimischen Unternehmen am nationalen, europaweiten und internationalen Wasser- und Abwassertechnologiemarkt ein?

Spatzierer: Österreichische Unternehmen arbeiten meist in Nischen, in diesen aber in teilweise führender Position.

Scherz: Österreichische Unternehmen müssen Kooperationen eingehen. Einige Firmen arbeiten unterhalb eines Generalplaners auch international. Aufgrund der Investitionsvolumina können heimische Unternehmen Aufträge oft nicht alleine bewältigen.

Spatzierer: Angerlehner GmbH, Rabmer Kanal und Strabag sind neben anderen wichtige Unternehmen im Bereich der unterirdischen Kanalsanierung (siehe zB. Österreichische Vereinigung für grabenloses Bauen und Instandhalten von Leitungen: ÖGL). Sie sind auch international tätig.

Assmann: Planer sind Multiplikatoren. Große Planungsbüros können europaweit tätig sein. Damit könnte man auch österreichische Technologie und Knowhow in andere Länder bringen. Wir haben mit ganz wenigen Ausnahmen zumeist nur kleinere Büros. Ein Planer mit mehr als 30 Mitarbeitern ist in Österreich groß, tut sich aber schwer den Markt in Rumänien oder Bulgarien zu bearbeiten. Da gibt es im Ausland Firmen mit vielen 100 Mitarbeitern, die den Markt besser erschließen können.


Welche Rolle spielt der Exportmarkt für heimische Unternehmen? Wo sind die relevanten Märkte?

Spatzierer: Westeuropa ist ein schwieriger Markt, denn die Konkurrenz ist gewaltig. In den einzelnen Ländern sind starke Player vorhanden.

(c) istockphoto/amornthep thongchiw

Scherz: Diese Unternehmen haben bessere Referenzen, da in diesen Ländern noch immer gebaut wird. Aufgrund der in Österreich spezifischen Struktur ist es für heimische Unternehmen schwer, international Fuß zu fassen.

Spatzierer: Als Sub-Auftragnehmer sind österreichische Unternehmen bis nach Kanada und die USA tätig. Das Problem, dass Billigprodukte aus Asien kommen, wie es in anderen Bereichen der Umwelttechnik der Fall ist, ist im Wasser- und Abwassersektor in der Regel nicht vorhanden. Österreichische Unternehmen sind maximal im steuerungstechnischen Bereich in Asien tätig, dort aber auch nur im Nischensektor. Man braucht dort Büros und Leute vor Ort um Fuß zu fassen, sonst ist es sehr schwierig.

Scherz: Beim osteuropäischen Markt besteht der Vorteil, dass in diesen Märkten auch von österreichischen Standorten aus gearbeitet werden kann. In Afrika gibt es sicherlich Nischenprojekte, von Marktanteilen kann man hier nicht sprechen.


Welche Vorteile hat der Standort Österreich für Unternehmen im Wasser- und Abwassertechnologiesektor?

Assmann: Österreich ist der Kernmarkt. Man verdient zwar nicht das große Geld, aber es ist ein sehr stabiler Markt. Das ist für viele international agierende Unternehmen sehr wichtig. In Ungarn zum Beispiel gibt es derzeit große Probleme wie Enteignungen und Preisverfall. In den Wachstumsmärkten ist das Risiko größer, dafür gibt es aber auch ein größeres finanzielles Potenzial. In den Jahren der Wirtschaftskrise ist der österreichische Markt aufgrund seiner Stabilität aber wieder attraktiver geworden.


Welche Unterstützungsleistungen benötigen heimische Unternehmen um am nationalen und internationalen Markt reüssieren zu können?

Scherz: Wichtig ist aus der Sicht der Betreiber am nationalen Markt, dass der Standard, den wir in den letzten Jahrzehnten gemeinsam geschaffen haben, erhalten werden kann. Daran wird kontinuierlich gearbeitet werden müssen. Zu Bedenken ist, dass die Investitionen in den Gewässerschutz bisher rd. 55 Milliarden EURO (valorisiert) betragen haben. Nur wenn die Erhaltung der Funktionalität und damit der Werterhalt gelingen, kann der hohe Standard im Gewässerschutz nachhaltig über Generationen sichergestellt werden. Die hauptsächlich kommunalen Eigentümer der Anlagen brauchen daher auch Anreize in Form von Förderungen, um in Zeiten knapper Budgets trotzdem die Anlagen instand zu halten und ausreichend Reinvestitionen zu tätigen.

Spatzierer: Vor allem KMU brauchen Unterstützung und Förderung, wenn sie ins Ausland gehen wollen. Ein Einstieg in den Auslandsmarkt ist mit viel Risiko verbunden. Die Preisgestaltung ist schwierig, insofern man nicht auf Innovationen zurückgreifen kann, die mit Patenten gesichert sind.


Welche Rolle spielt die Innovationskraft heimischer Unternehmen?

Spatzierer: Innovationskraft ist wichtig für österreichische Unternehmen, da wir nur in Nischen anbieten können. Für den Massenmarkt sind wir zu klein, da können wir nicht mithalten. Bei EMSR-Technik aber auch bei Nachklärbeckentechnologie, bei Rechenanlagen, etc. gibt es beispielsweise gute Möglichkeiten für österreichische Unternehmen. Allerdings sind das eben nur einzelne kleine Segmente, wo heimische Firmen einen internationalen Durchbruch geschafft haben.


In welchen Bereichen haben österreichische Unternehmen die Technologieführerschaft inne bzw. befinden sich im Spitzenfeld?

EBS Hauptkläranlage Wien (c) ebswien

Spatzierer: In Österreich besteht generell ein sehr hoher Stand in der Umwelttechnik. 
Scherz: In den letzten Jahren erfolgte ein Wandel von der Errichter-Gesellschaft zur Betreiber-Gesellschaft.
Assmann: Das bedarf auch spezieller Technologien und eines speziellen Fördersystems. Das sind Fragen des Werterhalts, des Funktionserhalts und der Instandhaltung. Ich sehe da Chancen auf technologischer und verfahrenstechnischer Ebene, denn auch in diese Phase werden andere Länder kommen. Ein technologischer Vorsprung auf diesem Gebiet wird sich in der Zukunft rechnen.

Spatzierer: Technologie aus Österreich, zum Beispiel Anaerobanlagen, werden bereits international eingesetzt. Österreich ist da also gut unterwegs.


Welche großen technologischen Veränderungen sind im Wasser- und Abwassertechnologiebereich in den nächsten Jahren zu erwarten?

Spatzierer: Meiner Meinung nach werden energieeffiziente Anlagen und Energieeinsparung zu einem wichtigen Thema werden. Der Einsatz effizienter Antriebe sowie das Durchleuchten der Anlage im Rahmen des Energiechecks sind essentiell. Ohne Komponententausch liegt das Einsparungspotenzial hierbei bei maximal 10-15 %. Durch den Austausch von Aggregaten sind aber Energieeinsparungen bis zu 30-35 % möglich. Möglich ist auch, dass man Co-Substrate in die Faulung einspeist und dadurch zusätzlich Energie erzeugt. Das hat nicht mehr direkt mit der eigentlichen Abwasserreinigung zu tun, denn man gewinnt hier die Energie aus einem anderen Bereich. Dadurch wird eine Kläranlage auch zu einer Abfallbehandlungsanlage im rechtlichen Sinn, wofür auch die Genehmigungen einzuholen sind.

Scherz: Die Stadt Wiener Neustadt wird zum Beispiel aufgrund einer Kooperation mit der EVN Wärme GmbH mit Biomethan aus der Abwasserreinigungsanlage versorgt, die auch abfallrechtlich genehmigt ist. Bis zu 40 % des Gasbedarfs kann an Sommertagen mit aufbereitetem Biogas aus der Kläranlage gedeckt werden. Das ist allerdings eine Besonderheit und nicht überall möglich. Leicht realisierbar und auf Kläranlagen mit Faultürmen praktisch umgesetzt ist die Installation von Blockheizkraftwerken zur Wärme- und Stromerzeugung.

Spatzierer: Das Thema energieautarke Kläranlage ist eine Vision. Bei großen Kläranlagen ist es möglich, auch ohne die Beimengung von Co-Substraten. Ein Beispiel ist die EBS Wien, wo ein derartiges Projekt in den nächsten Jahren umgesetzt werden soll. Ziel ist es nun, auch bei kleineren Kläranlagen (ab ca. 10.000 EW) eine Faulung zur Energiegewinnung zu implementieren.

Die Abwasserreinigung mittels Membrantechnik stand vor ca. 15 Jahren an der Schwelle zu einer breiteren Anwendung. Die Entwicklung bei den Membranen (vor allem Kostensenkung) hat aber nicht in dem erwarteten Ausmaß stattgefunden, das Thema hat heute somit wieder weniger Relevanz.

Die Entfernung von Spurenstoffen wie Antibiotika, Pestizide und Industriechemikalien, die im Abwasser in sehr geringen Konzentrationen vorliegen, könnte  in Zukunft eine Rolle spielen. Dazu gibt es auch einige Entwicklungen und Untersuchungen in Österreich. Ozon oder Aktivkohle kann dabei als vierte Reinigungsstufe eingesetzt werden, um diese Spurenstoffe zu entfernen. Das ist derzeit Stand der Wissenschaft. Hinsichtlich Spurenstoff-Entfernung mit Ozon wurde auf der Hauptkläranlage Wien von der TU Wien eine Versuchsanlage betrieben. Weitere Untersuchungen mit Pulveraktivkohle sollen folgen.

Diese Themengebiete werden auch auf den Universitäten erforscht. Das Umweltbundesamt ist darüber hinaus im Bereich der Spurenstoffe ein wichtiger Partner.

Scherz: Aus Sicht der Betreiber ist zu betonen, dass wir auf dem Gebiet der Spurenstoffe noch bei der Grundlagenforschung sind. Es sind noch viele Fragen offen, die zuerst beantwortet werden müssen. Vor allem bei den Eintragspfaden, im Stofffluss und in der Relevanz bzw. im Schutzniveau sind noch viele Fragen zu klären. Spurenstoffe sind darüber hinaus nicht nur ein Thema der Abwasserentsorgung. Spurenstoffe sind ubiquitär vorhanden und kommen aus vielen Eintragspfaden. Grundlagenforschung ist daher in mehreren Bereichen wichtig. Bei den Konzentrationen bewegt man sich mittlerweile bereits im Nanogrammbereich. Dieser Bereich wird durch immer feinere Analysetechnik erschlossen. Die Grundlagenforschung im Bereich Ökotoxikologie und Humantoxikologie ist daher voran zu treiben bevor eine Umsetzung auf den Kläranlagen diskutiert werden sollte. Daher hat auch die Anwendungsforschung (Ozonierung oder Aktivkohle) in diesem Bereich derzeit noch geringere Bedeutung, wird aber in den nächsten Jahren wichtiger werden.

Spatzierer: Die derzeit geltenden Vorgaben der EU stellen die österreichischen Betreiber derzeit vor keine Probleme. Wenn aber weitere Stoffe wie zum Beispiel Arzneimittel in die Liste der prioritären Stoffe aufgenommen werden, dann wäre u.U. Handlungsbedarf gegeben.


Welche Forschungseinrichtungen befassen sich in Österreich mit dem Thema Wasser- und Abwasserbehandlung und welche Stellung haben diese im internationalen Vergleich?

BMLFUW_UBA-B.GrögerÖsterreichische Universitäten wie die TU Wien, BOKU Wien, Uni Innsbruck und die TU Graz sind im internationalen Spitzenfeld bei internationalen Konferenzen vertreten. Durch diese Forschungsimpulse wurden in der Industrie sehr gute Erfolge erzielt. Die österreichischen Kläranlagen sind – bis auf wenige Ausnahmen – am Stand der Technik und erfüllen alle europäischen Richtlinien.

Was die betriebsinterne Forschung angeht, kann man sagen, dass Forschungseinrichtungen früher sehr eng mit Anlagenherstellern zusammen gearbeitet haben. Anlagenhersteller haben in Österreich kaum eigene Forschungseinrichtungen. Dafür ist die universitäre Forschung in diesem Bereich sehr anwendungsorientiert. Es gab einen tollen Verbund zwischen Forschung, Industrie und Anwendern. Jetzt fallen in vielen Fällen leider die Partner von den Anlagenherstellern aus den oben dargestellten Gründen weg.

Scherz: Ein wichtiger Punkt ist, dass die Grundlagenforschung in Österreich nicht zu kurz gekommen ist. Da Österreich einen guten technologischen Standard hat, ist es wichtig diesen Standard zu halten. Spurenstoffe sind beispielsweise ein wichtiger Forschungsschwerpunkt. Anwendungsforschung wird parallel dazu betrieben. Da es sich um ein Thema der Zukunft handelt, wird es in diesem Bereich erst später zur Umsetzung der Technik kommen. Wichtig wird es in der Zukunft sein neben der Forschung immer wieder hauptsächlich Investitionen in neuere Technologien zu tätigen, da sonst diese Branchen wegfallen oder ins Ausland abwandern müssen.

Assmann: Viele österreichische Universitätsabsolventen suchen Arbeit im Ausland. Da Österreich bereits einen Kanalanschlussgrad von 94 % aufweist und max. 97 – 98  % als erzielbar erachtet werden. In anderen Ländern gibt es viel mehr Potenzial. Österreich ist personell schon gut ausgestattet.


Welche Entwicklungen sind in den nächsten Jahren zu erwarten, wo werden zukünftig die Prioritäten liegen?

Spatzierer: Jetzt kommt die erste Erneuerungsphase der Anlagen. Die bauliche Lebensdauer beträgt ca. 25 - 40 Jahre bei baulichen Anlagen, bei maschinellen Einrichtungen müssen schon nach 10 – 15 Jahren und bei Mess- und Steuerungseinrichtungen alle 5 - 7 Jahre Verbesserungen vorgenommen werden. Einige dieser Komponenten können noch von heimischen Produzenten geliefert werden, vieles muss aber zugekauft werden, da fehlt in Österreich die Industrie.

Scherz: Bedarf besteht in den nächsten 5-10 Jahren sicherlich bei der Erneuerung und Erweiterung der bestehenden Anlagen. Wichtig erscheint es, dass auch Überlegungen in den Bereichen der organisatorischen Strukturen angestellt werden. Dadurch können unter Umständen Effizienzpotentiale gehoben werden. Ein Schlagwort ist in diesem Zusammenhang die interkommunale Zusammenarbeit. Darüber hinaus sollte das Thema Benchmarking, das vom ÖWAV bereits seit einem Jahrzehnt in einer ausgereiften und standardisierten Form angeboten wird, zu einer Selbstverständlichkeit bei den Betreibern werden.

Das Thema Neuerschließungen ist zukünftig von geringer Bedeutung, das kann von der örtlichen Bauwirtschaft erledigt werden. Kleinkläranlagen sind in gewissen Bereichen auch zukünftig ein Thema. Auch die Überwachung und der Betrieb dieser Anlagen sind ein wichtiges Thema. Es gibt österreichische Unternehmen, die sich damit beschäftigen, aber hier ist der Konkurrenzdruck aus dem Ausland deutlich merkbar.

Spatzierer: Die Aufgabenstellungen der Zukunft sind somit gegeben: es handelt sich um Instandhaltung und Instandsetzung. Gerade im Kanalbereich ist das ein riesiges Aufgabenfeld. Es gibt Firmen, die sich in diesem Bereich spezialisiert haben. Derzeit fehlen noch die Aufträge, da die Erneuerungsraten unter 0,5 % liegen. Nötig wären aber 2-3 %. Da fehlen rechtliche Rahmenbedingungen und vor allem der Vollzug sowie die nötigen Investitionen.

Dieses Zukunftspotenzial betrifft nicht nur öffentliche Kanäle sondern auch private Anschlussleitungen. Über diese privaten Leitungen ist meist wenig bekannt. In Innsbruck wird in einem Projekt versucht, die Lage des Kanals bis zur Hauskante zu verfolgen, zu reinigen und bei Bedarf zu sanieren.

Der Neuwert der Kanal-Infrastruktur in Österreich beträgt 55 Mrd. €. Derzeit fahren wir nur eine „Feuerwehrstrategie“. Das bedeutet, nur da wo es Verstopfungen oder Lecks gibt, wo Geruchsemissionen auftreten, die Straße einbricht oder wo ein neuer Anschluss gebraucht wird, werden Maßnahmen gesetzt. Das Problem wird somit auf die nächste Generation abgewälzt. Die Kosten werden aber zu einem späteren Zeitpunkt sicherlich höher sein, da dann u.U. das ganze System erneuert werden muss. Jährliche Investitionen sind sinnvoller als eine große Investition irgendwann in der Zukunft.

Auch Klärschlamm wird weiter eine wichtige Frage darstellen. Hierbei gilt es zwei Punkte zu bedenken:

1. Was wird mit dem anfallenden Klärschlamm gemacht? Ist eine Verbrennung oder eine landwirtschaftliche Verwertung sinnvoller?

Die Ausbringung ist vor allem ein Problem in Ballungszentren, d.h. in diesem Falle nicht machbar. Im ländlichen Bereich könnte die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung aber auch zukünftig noch eine gewisse Rolle spielen.

2. Phosphor in Klärschlamm bzw. die Frage der Rückgewinnung zum Einsatz als Düngestoff oder in der chemischen Industrie.

Die Fragen bei direkter landwirtschaftlicher Verwertung des Klärschlammes sind dabei hygienische Aspekte und ein mögliches Risiko durch Spurenstoffe. Die konventionellen Schadstoffe (Schwermetalle) stellen in der Regel kein Problem mehr dar, da mit der österreichischen Indirekteinleiterverordnung und den branchenspezifischen Abwasseremissionsverordnungen quellseitig sehr viel getan wurde.

Scherz: Phosphor-Rückgewinnung ist kein tagesaktuelles Thema. Es hat aber sehr wohl eine strategische Bedeutung für die Betreiber. Studien haben gezeigt, dass z.B. in Niederösterreich mit dem im Klärschlamm enthaltenen Phosphor bis zu 20 % des landwirtschaftlichen Bedarfs gedeckt werden könnte. Daher sollten regional abgestimmte Konzepte erarbeitet werden, die bei Bedarf umgesetzt werden können. Wirtschaftlich interessant dürfte es aus heutiger Sicht erst zu einem Zeitpunkt werden, wenn sich die Weltmarktkosten für die endliche Ressource Phosphor stark verteuern. Die Politik sollte sich parallel dazu Gedanken über eine Phosphorlenkung machen, so wie es in den skandinavischen Ländern bereits üblich ist.

 

wirkl. Hofrat Dipl.-Ing. Gerhard Spatzierer

(c) ÖWAV

Studium Technische Chemie – Verfahrenstechnik an der TU Wien

1973 - 1979: Assistent am Institut für Wassergüte, Abwasserreinigung und Gewässerschutz der TU Wien

1979 - 1982: Referent beim ÖWAV

Seit 1982: Amt der Burgenländischen Landesregierung, Leiter der Gewässeraufsicht

2006 –2011: Vorstand der Abteilung 9 – Wasser- und Abfallwirtschaft +

Sonstige Funktionen:

  • Vorsitzender der Fachgruppe „Abwassertechnik und Gewässerschutz“ im ÖWAV und Mitglied des Vorstandes des ÖWAV
  • Leiter der Kanal- und Kläranlagen-Nachbarschaften in Österreich und Südtirol
  • Mitarbeit in Fachausschüssen der DWA

DI Dr. Wolfgang SCHERZ, MBA

(c) ÖWAV

1981 bis 1988: Studium Kulturtechnik und Wasserwirtschaft, Universität für Bodenkultur Wien

1995 bis 1998: Doktorat Kulturtechnik und Wasserwirtschaft

2009 bis 2011: MBA in general management, emca

Mitarbeiter in ZT-Büro

Mitarbeiter des Amtes der NÖ Landesregierung

Selbständigkeit als Ingenieurkonsulent

seit 2000: Geschäftsführer des Abwasserverbandes WIENER NEUSTADT-SÜD


DI Manfred Assmann

(c) ÖWAV

Studium Kulturtechnik und Wasserwirtschaft, Universität für Bodenkultur Wien

Geschäftsführer des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbands

Manfred Assmann neuer Obmann des KulturtechnikerInnen-Verbands an der Universität für Bodenkultur (KT-Verband)

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