In diesem Gespräch der Experteninterviewserie wurde mit Frau Mag. DI Dr. Brigitte Bach MSc, Leiterin des Energy Departements des AIT Austrian Institute of Technology, gesprochen.
Die Forschungsschwerpunkte des Departments liegen in den Bereichen „Elektrische Energieinfrastruktur“ und „Energy für die gebaute Umwelt“. In einem ganzheitlichen, interdisziplinären Ansatz werden hier Gesamtlösungen für eine umweltfreundliche Stromversorgung, Heizung und Klimatisierung der Gebäude und Städte von morgen entwickelt. Das Energy Department besteht aus 127 Mitarbeitern (sowie 25 freien Mitarbeitern) aus den Bereichen Architektur, Bautechnik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Physik und Mathematik. Die Mitarbeiter des multikulturellen, interdisziplinär aufgebauten Teams stammen unter anderem aus Österreich, Deutschland, Frankreich, Serbien, Italien, Schweden, Brasilien, Kroatien, Slowakei, Syrien, China.
Wie beurteilen Sie die heimische Forschungslandschaft in den Bereichen Erneuerbare Energietechnologien und Energieverteilung als Gesamtheit?
Österreich hat eine sehr lange und stabile Tradition im Bereich der Energieforschung. Es gibt profundes Wissen, das zeigt sich in vielen Sektoren. Aber die Organisationseinheiten die Forschung betreiben sind in der Regel relativ klein, so klein, dass es schwer ist, europa- und weltweit gesehen zu werden. Das AIT Austrian Institute of Technology ist so aufgesetzt, dass im Bereich der Energieforschung eine kritische Masse entsteht, die in speziellen Bereichen – beispielsweise der „elektrischen Energieinfrastruktur“ und dem Thema „Energie für die gebaute Umwelt“ – für Europa relevant ist und auch weltweit gesehen werden kann. Gerade in den Bereichen elektrische Netze und Smart Cities ist das AIT in Europa sehr sichtbar.
Mit einigen Universitäten bzw. Instituten gibt es bereits gute Partnerschaften wo über mehrere Jahre geplant ist, welche gemeinsamen Projekte, Publikationen und Diplomarbeitsbetreuungen entstehen und welcher Impact damit erzielt werden kann. Wir wollen eine Win-Win Situation herstellen, so dass die Universitäten einerseits an interessante, international aufgestellte, Projekte und das AIT andererseits an das universitäre Know-How angeschlossen sind. Das AIT als größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung versucht auch eine Brücke zwischen universitärer Forschung und Industrie zu bilden und damit den Standort Österreich zu stärken.
Auf welchen Forschungsbereichen liegt der Fokus des Energy Departments? Wird sich dieser Fokus in den nächsten fünf bis zehn Jahren aufgrund der ausgeprägten Dynamik der Umwelttechnik verändern?
Die Ausrichtung in unseren zwei Hauptforschungsgebieten – elektrische Energieinfrastruktur und Energie für die gebaute Umwelt – ist sehr stabil. Dieser Fokus wird lange erhalten bleiben. Allerdings muss man sich, wenn man an der Spitze forscht und Themen mitgestaltet, laufend weiterentwickeln. Wenn ein Thema den Weg in die industrielle Umsetzung findet, lässt das AIT dieses Thema los und greift andere Themen auf.
Wichtige künftige Fragestellungen denen sich das AIT stellt, auch im Zusammenhang mit Smart Cities, sind wie man Technologien, die im Kleinen erprobt sind und eingesetzt werden, optimal in das urbane Gesamtsystem integriert.
In welcher Art und Weise werden die Forschungsergebnisse des AIT in der Praxis erprobt bzw. umgesetzt?
Es gibt eine enge Zusammenarbeit zischen dem AIT und der Industrie. Das AIT nimmt im österreichischen Innovationssystem eine zentrale Rolle ein. Aufgrund der öffentlichen Förderung, die das AIT bezieht, wird an grand challenges wie beispielsweise der Eindämmung des Klimawandels durch Reduktion von z.B. CO2 Emissionen geforscht. Große Trends werden erkannt und die Chancen für österreichische Unternehmen werden identifiziert. Interne Methodenkonzepte werden erarbeitet und dann von vorneherein mit Industrie, öffentlichen Einrichtungen oder anderen Forschungspartnern in ko-finanzierten - oder Auftragsprojekten umgesetzt und abgewickelt.
Wie wichtig erachten Sie die Forschungsaktivitäten in Unternehmen selbst?
Prinzipiell gibt es innerbetriebliche Forschung auf diesem Sektor. Diese ist nicht nur zentral für Innovationen im Unternehmen sondern auch nötig um überhaupt anschlussfähig an universitäre oder außeruniversitäre Forschung zu sein. In manchen Bereichen sollte die innerbetriebliche Forschung noch forciert werden. Gemeinsam mit Universitäten und dem AIT ist die industrielle Forschung wichtig um auch Eingang in neue Märkte zu finden.
Sehen Sie einen Unterschied im Forschungsumfeld zwischen den Bereichen Erneuerbare Energietechnologien, Energieverteilung etc. und der sonstigen österreichischen Forschungslandschaft?
Der Energieforschungsbereich ist nicht durchgängig besser oder schlechter als andere Forschungsbereiche. Aber die Energiefrage ist eine zentrale Frage dieses Jahrhunderts. Die Dringlichkeit in der Policy ist hoch, das setzt sich aber nicht immer Eins zu Eins in Innovation um. Potenziale für neue Konzepte, Methoden und Produkte sind da, die Frage ist, ob wir sie nutzen können.
Sind in den nächsten 5 Jahren Technologiesprünge bei der umweltfreundlichen Stromerzeugung bzw. bei der effizienten Stromverteilung zu erwarten?
Die nächsten großen Technologiesprünge liegen – vor allem im Netz- und im Smart-Cities-Bereich – in der Systemintegration, vor allem in der Anwendung neuer Methoden zur besseren Integration.
Das Bewusstsein hin in Richtung Systemintegration wächst langsam, früher wurden immer nur Entwicklungen einzelner Technologien gefördert. Große Technologiesprünge bei einzelnen Komponenten wie z.B. PV-Modulen oder Wärmetauschern sind sicher auch möglich, werden aber wahrscheinlich erst später eintreten. Allerdings besteht eine signifikante Wechselwirkung zwischen der Systemintegrations- und der Komponentenentwicklungsfrage. Würden beispielsweise deutlich bessere PV-Module entwickelt werden, müsste sich das System wieder an diese Änderungen anpassen.
Wie schätzen Sie die nationale und internationale Technologieentwicklung in den vom Energy Departement untersuchten Bereichen in den nächsten 10 Jahren ein? Welche Rolle wird dabei die Forschung in den unterschiedlichsten Bereichen spielen?
Wenn wir Österreich als Technologiestandort behaupten möchten – und Energietechnologien sind sicher ein Thema wo das möglich wäre – dann braucht es einen kontinuierlichen und beschleunigten Ausbau von Forschung und Innovation. Die Chance in diesen Bereichen ist groß. Jetzt geht es darum, Forschung zu vernetzen und wirklich voranzutreiben.
Sehen Sie in der Steigerung der Energieeffizienz oder in der Energieerzeugung aus regenerativen Energieträgern mehr Potenzial zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen in Österreich?
Technologieentwicklung muss in allen Bereichen vorangetrieben werden. Weder der globale Wettbewerb noch die Klimaziele lassen zu, dass man auf einen der beiden Bereiche verzichtet. Ein in Europa hinsichtlich Energieeffizienz sehr sperriger Bereich der hinter den Erwartungen zurückbleibt, ist die Renovierung von Gebäuden. Da ist bezüglich CO2Emissionsreduktion noch viel drinnen.
In welchen Technologiebereichen sehen Sie Nischen, in denen heimische Unternehmen zukünftig Marktführerschaft aufbauen können bzw. sollen?
In einigen Bereichen sind österreichische Unternehmen ja bereits sehr gut. Die gesamte Tragweite des Energietransformationsprozesses in Europa ist allerdings vor allem den KMU nicht so transparent, da sie sich nicht täglich mit diesen Entwicklungen beschäftigen können. Es ist sehr schwierig am Ball zu bleiben und Trends und letzte Entwicklungen herauszuarbeiten. Es gibt einen Gap zwischen dem, was auf europäischer Ebene klar diskutiert wird und dem was Stakeholder, sprich potenzielle Firmen, die sich dafür interessieren könnten, wissen und wahrnehmen. Es wäre hilfreich, die Diskussion so an die Öffentlichkeit zu bringen, dass Entrepreneuership gefördert wird und Unternehmen zeitnah Informationen aufbereitet bekommen. Das ist anspruchsvoll aufgrund der Breite des Sektors. Um ein Unternehmen strategisch zu positionieren ist die europaweite langfristige Policy entscheidend, nicht die tagesaktuelle Politik, die eher kurzfristiger orientiert ist. Trends von 10-15 Jahren müssen erfasst werden damit sich ein Unternehmen entsprechend aufstellen kann. Daraus können sich eine Reihe an Nischen für heimische Unternehmen ergeben.
Welche Umwelttechnologiefelder weisen Ihrer Meinung nach die höchsten wirtschaftlichen Zukunftspotenziale für heimische Betriebe am nationalen und internationalen Markt auf?
Klar ist, dass es in vielen Bereichen Potenziale für österreichische Unternehmen gibt, die auch genutzt werden sollten. Es braucht aber einen sehr ehrlichen, ambitionierten Diskurs mit vielen Stakeholdern um überhaupt Transparenz zu schaffen und im Sinne von Innovation und Entrepreneurship reagieren zu können.
Wer ist der Treiber hinter der positiven Entwicklung der Umweltwirtschafts-Branche?
Für eine positive Entwicklung ist nicht nur ein Treiber relevant, es braucht eine günstige Konstellation. Das AIT und andere Forschungseinrichtungen am Anfang der Kette spielen sicher eine große Rolle, weil exzellente Forschung Impakt generieren und dann Unternehmen auf dem Innovationsweg mitnehmen kann. Unternehmen brauchen dann aber wieder Kapazitäten und das Verständnis für Forschung und müssen an einer entsprechenden Positionierung interessiert sein. Zusätzlich braucht es noch die öffentliche Hand um Rahmenbedingungen zu schaffen. Dann braucht es noch eine positive Wahrnehmung in der Gesellschaft, die erkennt, dass wir ein Technologiestandort sein wollen, um letztendlich zuzustimmen, dass Steuergeld für diese Bereiche ausgegeben wird. Dieser Weg wurde mit der Restrukturierung des AIT, mit der Schaffung von großen Forschungseinheiten, die europäisch und international sichtbar sind, begonnen. Es gibt zahlreiche heimische Unternehmen, die mit uns diesen Weg gehen. Aber es braucht einen kontinuierlichen strategischen Diskurs auf sehr hohem Niveau um zu entscheiden wohin sich Österreich entwickeln soll. Dieser Diskurs ist auch ein politischer, soll aber in erster Linie auf strategischer Sachebene geführt werden. Mehrere Akteure müssen diesen Prozess als sinnvoll erachten um ihn starten zu können.
MSc ist Leiterin des Energy Departements des AIT Austria Institute of Technology
1992: Abschluss des Doktorratsstudiums der technischen Physik an der Technischen Universität Wien; anschließend postgraduales Studium in "Management Development and Communication" an der Donauuniversität Krems
seit 1999: AIT Austrian Institute of Technology
seit 2009: Leitung des Energy Departements
Brigitte Bach ist Mitglied
Im Herbst 2009 wurde Brigitte Bach der Preis „Österreicherin des Jahres 2009“ in der Kategorie „Forschung“ verliehen