In diesem Gespräch der Experteninterviewserie wurde mit Herrn Dr. Hans Kronberger, Präsident des Bundesverband Photovoltaik Austria, gesprochen.
Der Bundesverband Photovoltaic Austria ist eine überbetriebliche und überparteiliche Interessensvertretung und stellt die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Photovoltaik in Österreich in den Vordergrund.
Wie würden Sie die heimische PV-Industrie charakterisieren?
Grundsätzlich kann man sagen, dass es in Österreich ca. 100 heimische Betriebe gibt, die vorwiegend im PV- bzw. PV-Zuliefersektor tätig sind. Viele Firmen sind aber in mehreren Bereichen aktiv und produzieren zum Beispiel Steckanschlüsse oder Aufstellsysteme nicht nur für die PV. Die größte Bedeutung für die heimische PV-Industrie hat wahrscheinlich die Wechselrichterherstellung, da mit Fronius der drittgrößte Wechselrichterhersteller der Welt ein heimisches Unternehmen ist. Im Bereich der Kunststoffbeschichtungen der Modulrückseiten ist die österreichische Firma Isovoltaic weltweit Technologie- und Marktführer. Auch im Bereich der Zulieferindustrie sind wir gut aufgestellt. Das betrifft Wechselrichter ebenso wie Plastikbeschichtungen der Modulrückseiten, die Verbindungsdrähte der Module im String-Aufbau und gewisse Kunststoffkomponenten wie Stecker und Verbindungskabel. 30 Prozent der Wertschöpfung liegen heute im Modulbereich, 70 Prozent in der Montage/Errichtung/Aufstellung und dem „ans Netz bringen“.
Welche Vorteile bzw. Nachteile hat der Standort Österreich für PV-Unternehmen?
Als Vorteil sehe ich die Qualifikation des Personals bzw. der FacharbeiterInnen in Österreich. Deswegen werden heimische Firmen auch in Zukunft am Standort Österreich festhalten. Ein Nachteil ist meiner Meinung nach, dass der heimische Markt zur Erprobung neuer Entwicklungen eher gering ausgeprägt ist.
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass österreichische Unternehmen die Technologieführerschaft innehaben bzw. sich im Spitzenfeld befinden?
Solche Unternehmen haben Trends rechtzeitig erkannt und auf diese expandierende Industrie gesetzt. Auch in der Speichertechnologie, die ja gepaart mit der PV-Industrie anzusehen ist, befinden sich heimische Unternehmen im internationalen Spitzenfeld. Es wird aber nicht einfach sein diesen Technologievorsprung in den nächsten 10 bis 15 Jahren halten zu können, da natürlich weltweit geforscht wird.
In welchen Märkten sind heimische PV-Unternehmen vorwiegend aktiv?
Derzeit ist der asiatische Raum genauso interessant wie Westeuropa – vor allem im Bereich der Wechselrichter. Zukünftig wird der Fokus eher auf den CEE-Staaten liegen. Diese Länder haben starkes Interesse daran die eigene Energieimportabhängigkeit zu vermindern.
Welche Faktoren sind ausschlaggebend für die Entwicklung der heimischen PV-Branche?
Entwicklungen in Österreich sind stark davon anhängig, wie schnell ein starker Heimmarkt aufgebaut werden kann. Ausschlaggebend ist auch wie gut die Hersteller in der Lage sind, ihre hohe Qualität auszuloben. Noch unterscheiden viele Endkunden nicht zwischen Massenware und Qualitätsware. Zukünftig wird es aber sehr starke Nachfrage nach Qualitätsprodukten geben.
Hat das österreichische Ökostromgesetz das Potenzial, einen guten Heimmarkt zu entwickeln?
Grundsätzlich, mit den Nebengesetzen, ja. Entscheidend ist aber auch, sich andere Förderungen, beispielsweise für Kleinanlagen unter 5 kWp, entwickeln.
Wie werden sich die PV-Industrie und der PV-Ausbau Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren entwickeln?
Die Errichtungsmenge wird sich aufgrund des Ölpreises, der Verknappung fossiler Rohstoffe und des forcierten Atomausstiegs stark nach oben entwickeln. Was die internationale PV-Industrie betrifft, ist momentan eine gewisse Konzentration internationaler Großkonzerne erkennbar. Hier haben derzeit 40 Firmen 80 % des Marktanteiles. Das wird sich reduzieren, weniger Firmen werden den Markt dominieren. Diese Firmen werden im Modulbereich in China, Japan und Südkorea zu finden sein, auch Indien wird an Bedeutung gewinnen.
Welche großen technologischen Veränderungen sind im PV-Bereich in den nächsten Jahren zu erwarten?
Ich glaube nicht, dass es gravierende technologische Veränderungen geben wird. Die Technik entwickelt sich selbstverständlich weiter, ist aber annähernd ausgereift. Der größte Forschungsbereich ist derzeit die Speichertechnologie. Die Wasserstoffspeicherung und Nutzung über eine Brennstoffzelle ist schon fortgeschritten und ernsthafte Speicher werden in den nächsten 10 Jahren entwickelt werden.
Sehen Sie auch für teure Innovationen einen Markt oder zählt in erster Linie der Preis um auf dem Markt erfolgreich zu sein?
Die vorherrschende Denkweise ist in vielen Fällen nach wie vor: möglichst billig. Aber da wird sich in den nächsten Jahren einiges tun, man wird auch international stärker auf Qualität setzen. Wenn die ersten qualitativ minderwertigen Module nicht mehr funktionsfähig sind, wird das Umdenken in der Branche stattfinden.
In welche Regionen verlagert sich der Absatzmarkt der Hauptakteure der PV-Branche?
Überall dorthin, wo es gesetzliche Vorgaben ähnlich dem deutschen Erneuerbaren Energie Gesetz (EEG) gibt. Ich glaube, dass in vier bis 5 Jahren auch in Ländern mit durchschnittlicher Sonneneinstrahlung wie Österreich Netzparität erreicht sein wird.
Wie wird sich die sehr dynamische internationale PV-Branche in den nächsten Jahren entwickeln?
Dieses Thema ist eng mit der Netzparität verknüpft. Einsparungspotenzial seitens der Produzenten besteht noch im Elektronikbereich, zum Beispiel beim Wechselrichter. Mit Massenproduktion sind auch bei der Aufstellungstechnologie Preissenkungen abzusehen. Es wird aber nicht mehr derartige Preissprünge wie in den letzten Jahren geben. Auf der anderen Seite ist dann natürlich noch entscheidend, wie stark der Strompreis steigt.
Welche Umwelttechnologiefelder weisen Ihrer Meinung nach die höchsten Zukunftspotenziale für heimische Betriebe am nationalen und internationalen Markt auf?
Im Energiebereich ist vor allem der Leitungsbau entscheidend, da ist noch viel zu tun. Im Wassermanagement und bei Abfalltechnik/Recyclingbereich/Aufbereitungsprozessen ist großes Entwicklungspotenzial vorhanden. In diesen Bereichen ist die Entwicklung heimischer Firmen sogar besser als in der PV, da eine kontinuierliche Entwicklung erfolgte, und keine sprunghafte wie bei der PV. Im Bereich der Abwasserentsorgung haben österreichische Unternehmen viele Produkte, die im internationalen Spitzenfeld liegen. Außerdem sind wir wichtige Zulieferer für die internationale Windindustrie, zum Beispiel bei Turbinen, Ölen und Dichtungen.
Welche internationalen Märkte spielen derzeit die prioritäre Rolle für heimische UT-Unternehmen?
Im Abfallbereich sind das all jene Länder, die das Thema derzeit noch sehr lasch behandeln. Diese Staaten werden das auf Dauer nicht durchhalten können, da die Auswirkungen zu dramatisch sein werden.
Was ist für ein österreichisches Unternehmen notwendig, um in der Umwelttechnologiebranche eine nationale/internationale Spitzenposition einzunehmen?
Der Heimmarkt ist wichtig, er ist der Experimentier- und Entwicklungsmarkt. Ausgehend von einem guten Heimmarkt ist ein internationaler Markteinstieg viel leichter.
In welchen Technologiebereichen sehen Sie Nischen, in denen heimische Unternehmen zukünftig Marktführerschaft aufbauen können/sollen?
Ich sehe Nischen bei der Veredelung/Verwertung von Abfällen bzw. im gesamten Bereich der Stoffstromwirtschaft. Ein Beispiel ist die Veredelung von Fetten/Ölen für Treibstoffbeigaben bzw. zur Herstellung anderer Nutzstoffe.
Mit welchen Hindernissen sehen sich heimische Umwelttechnologiebetriebe bei neuen Produktentwicklungen / Innovationen oder mit etablierten Produkten konfrontiert und wie kann diesen Hindernissen entgegengewirkt werden?
Ein Haupthindernis ist es, wenn es keine klaren politischen Rahmenbedingungen für die Anwendung von Umwelttechnologie gibt, sondern wenn Entwicklungen bzw. die Anwendung von Umwelttechnologie auf dem good will der Anwender basiert. Ein Entgegenwirken ist durch politische Vorgaben inklusive Sanktionen bei Zuwiderhandlung möglich. Diese sollten möglichst internationalisiert sein, zumindest auf europäischer Ebene. Freiwillige Überlegungen sind nicht zielführend, speziell im Energieeffizienzbereich. Auf lange Sicht sind solche Vorgaben auch für die heimische Branche von Vorteil, da man die aufgrund der strengen Vorgaben entwickelte Technologie dann international verkaufen kann. Beispiel dafür ist die Abgastechnik in der Automobilindustrie.
Welche Unterstützungsleistung benötigt die Branche für eine kontinuierliche Weiterentwicklung der jeweiligen Umwelttechnologiebereiche?
F&E Förderungen sind ein substanzieller Bestandteil jeder neuen Technologie. Bei den F&E Aktivitäten sehe ich österreichische PV-Unternehmen derzeit im Mittelfeld.
Ist die heimische Umwelttechnologiebranche Ihrer Meinung nach ausreichend vernetzt?
In diesem Bereich ist durchaus Optimierungsbedarf vorhanden. Es wäre sinnvoll, über Kooperationen nachzudenken, die es noch nicht gibt um sich so gut zu ergänzen.
Hat die heimische Umweltwirtschaftsbranche Ihrer Meinung nach ein „einheitliches Erscheinungsbild“?
Nein, aber es wäre notwendig.
1951: Geboren in Hall bei Admont
1971–1979: Studium der Publizistik und Völkerkunde in Wien
ab 1981: Lektor für Umweltpublizistik an der Universität Salzburg
1996–2004: Mitglied des Europäischen Parlaments
2000: Generalsekretär Eurosolar Austria und Vize Präsident von Eurosolar International
2005: Gründung und Vorstandvorsitzender des NeuStifterKreises (Gesellschaft für Erneuerbare Energie, Energieeffizienz, Friedens-, Sozial- und Wirtschaftspolitik
seit April 2008: Präsident des Bundesverbandes Photovoltaik Austria
seit Jänner 2011: 1. Stellvertretender Obmann des Dachverbandes Energie-Klima
Ausgezeichnet mit dem Günther-Pesch-Kulturpreis sowie dem Europäischen Solarpreis für Publizistik