In diesem Teil der Experteninterviewserie wurde mit Dipl.-Päd. Ing. Werner Weiss, Gründungsmitglied und Geschäftsführer von AEE - Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC), gesprochen.
AEE - Institut für Nachhaltige Technologien mit Sitz in Gleisdorf, wurde 1988 als außeruniversitäre Forschungseinrichtung gegründet und ist heute eines der führenden Institute im Bereich angewandter Forschung. AEE INTEC beschäftigt sich mit der Erforschung der naturwissenschaftlich-technischen Grundlagen der thermischen Solarenergienutzung, mit der Entwicklung von Niedrigenergie- und Nullenergiegebäuden, sowie deren effizienten Energieversorgungssystemen. Der dritte relevante Bereich beschäftigt sich mit Energieeffizienz in der Industrie.
In welchen Bereichen sehen Sie die Zukunft der Solarthermie?
Die großen Potenziale der Solarthermie liegen einerseits im Wohngebäudebereich, andererseits im Bereich der industriellen Prozesswärme. Geringe Potenziale gibt es für solares Kühlen.
Die zukünftigen Entwicklungen im Wohngebäudebereich werden massiv davon abhängen, wie gut es der Industrie gelingt, die Systempreise von Solarthermieanlagen zu senken. Diese sind in den letzten zehn Jahren stabil geblieben. Wenn eine Preissenkung gelingt, dann werden Kombianlagen mit hohem solarem Anteil vor allem im Neubau sehr großes Potenzial haben. Unter einer Kombi- bzw. Hybridanlage verstehe ich in diesem Fall die Kombination aus Solarthermie und Wärmepumpe oder Biomasse. Die Solarthermie ist derzeit eine Add-On-Technologie, was bedeutet, dass ein weiteres Heizsystem
notwendig ist, um ein Gebäude jederzeit mit Wärme zu versorgen. Ziel muss es sein, eine Hybridanlage bereitzustellen, die diese Anforderung erfüllt. Ähnlich wie bei der Photovoltaik würde ein attraktives Fördershema, verbunden mit Preissenkungen der Gesamtsysteme einen Boom auslösen können. Weiters ist es entscheidend, dass durch die Produzenten erreichte Preissenkungen auch direkt an den Kunden weitergegeben werden, da nur dadurch eine Erhöhung der Nachfrage angeregt werden kann.
Im Privatanlagenbereich wird sich auch zukünftig die Anwendung auf Kleinanlagen konzentrieren, während im mehrgeschossigen Wohnbau vermehrt Großanlagen zum Einsatz kommen werden. Verbindungen mit Fernwärmeanlagen sind ebenfalls eine Art der Wärmeversorgung, die durch einen vermehrten Einsatz der Solarthermie forciert werden kann.
Wo liegen die Forschungsschwerpunkte in der Solarthermie?
Ein zentraler, auch internationaler Forschungsschwerpunkt ist das Thema des Speichers. Der Speicher ist der Knackpunkt beim Einsatz von Solarthermie im Einfamilienhaus wenn es darum geht, ein wärmeautarkes System zu generieren. Die derzeit in Verwendung befindlichen Wasserspeicher weisen für einen wärmeautarken Betrieb eine zu geringe Energiedichte auf. Aus diesem Grund wurde eine Reihe an Projekten zu Speichern mit hohen Energiedichten initiiert. Zu nennen sind hier Sorptionsspeicher, thermochemische Speicher oder Phasenwechselspeicher (Latentwärmespeicher). Im Demonstrationsbereich
wird es bereits in den nächsten 1-2 Jahren erste Anwendungen geben, am Markt wird die Technik dann in den nächsten 3-5 Jahren verfügbar sein. Aufgrund des Wegfallens eines Backup-Systems werden sich die Kosten deutlich verringern, was die Nachfrage nach solarthermischen Systemen deutlich erhöhen könnte.
Neben der Speicherthematik wird an neuen Werkstoffen, beispielsweise im Polymerwerktstoffbereich, geforscht. Ziel dieser Forschungen ist es, das Gesamtsystem kostengünsttiger zu machen. Weiters wird intensiv an der Einbindung von Solarthermie in intelligente Netze (kombinierte thermisch-elektrische Netze) gearbeitet.
Wo liegen die wesentlichen Vorteile bei der Nutzung von Solarthermie zur Bereitstellung von Prozesswärme?
Neben Umweltgesichtspunkten ist die Wirtschaftlichkeit der Anlagen ein entscheidender Punkt für Unternehmen. Diese ist unter gewissen Voraussetzungen gegeben, Solarthermie wird bereits in vielen Fällen zur Erzeugung von Prozesswärme eingesetzt. Solarthermie ist vor allem für jene Unternehmen interessant, die planen, an einem Standort längere Zeit zu bestehen, Amortisationszeiten liegen je nach Anlage und Lastprofil bei rund 5-7 Jahren. Unternehmen der Lebensmittelindustrie, wie beispielswiese Brauereien oder Molkereien, weisen ein sehr hohes Potenzial
für Solarthermieanwendungen auf, da einerseits die Prozesse gut dafür geeignet sind und andererseits die Unternehmen davon ausgehen, auch noch in 10 Jahren an diesem Standort zu produzieren. In der Textilindustrie ist das nicht immer der Fall. Ein wesentlicher Vorteil für Unternehmen ist, dass nach Ablauf der Amortissationszeit die Wärmeenergie bis zum Ende der Lebensdauer der Anlage zum Nulltarif bezogen wird, abgesehen von den geringen Wartungskosten. Auf die gesamte Anlagenlebensdauer wird Energie mittels Solarthermie somit rund 2/3 billiger bereitgestellt als mit konventionellen Energieträgern, deren Preissteigerung noch nicht mit einberechnet.
Sehen Sie ein verstärktes Interesse der Industrie an Solarthermie?
Wir erkennen den Trend, dass mehr und mehr Unternehmen an dieser Thematik interessiert sind und in deren Überlegungen miteinbeziehen. Zahlreiche Verantaltungen bieten Informationen zur Anwendung von Solarthermie in der Produktionspraxis. Neben der Wärmebereitstellung werden in vielen Fällen in diesem Zusammenhang auch Maßnahmen der Energieeffizienz betrachtet. Dabei steht die Senkung des Wärmebedarfs im Vordergrund, beispielsweise durch die Umstellung von einem Dampfsystem auf ein Heißwassersystem. Die anschließende Kombination dieser Maßnahmen mit Solarthermie macht das Gesamtsystem auch
wirtschaftlich interessanter.
Was es braucht um die Technologie einer breiten Anwendung zu verhelfen sind große, bereits umgesetzte, funktionierende Anlagen. Diese sind vor allem für Unternehmen wichtig, da sie in der Praxis belegen, dass diese Technologie wirtschaftlich anwendbar ist. Aus diesem Grund kommt einem funktionierenden, ausreichend großen Heimmarkt eine wichtige Bedeutung zu.
Eine Förderung bezogen auf die errichtete Anlagenfläche, unabhängig vom tatsächlichen Ertrag bzw. unabhängig von der Effizienz der Anlage ist überholt und sollte entsprechend adaptiert werden. Die Qualität der Anlage muss ins Förderregime integriert werden.
Welche Voraussetzungen vergünstigen den Einsatz von Solarthermie im Unternehmen?
Besonders vorteilhaft ist ein Wärmebedarf, der ganzjährig besteht und kontinuierlich vorhanden ist. Optimal wäre es, wenn der Wärmebedarf im Sommer höher
als im Winter ist, dies ist aber keineswegs zwingende Voraussetzung für den wirtschaftlichen Betrieb einer Anlage. Benötigte Temperaturbereiche von 60 °C bis 100 °C eignen sich gut für die Bereitstellung mittels Solarthermie.
Was wäre notwendig, um die Solarthermie vermehrt in betriebliche Prozesse zu integrieren?
In anderen Ländern, wie beispielsweise Dänemark, gibt es Unternehmen, die schlüsselferige Anlagen anbieten. Das Abwickeln der Anlageninstallation durch nur eine Firma erleichtert einem potenziellen Kunden die Planungs- und Errichtungsphase deutlich. In Österreich sind eine Reihe an Firmen beteiligt (Planer, Produzenten, Assembler, Intallateure etc.) die in gewissen Maße koordiniert werden müssen. Diese Entwicklung, die in den letzten Jahren zum Erfolg vieler heimischer Firmen beigetragen hat, stellt sich im Zuge der Wirtschaftskrise als gewisser Nachteil heraus. Es wäre eine neue Art von
Firma, idealerweise mit Know-How im Anlagenbau, notwendig um dieser Entwicklung gegenzusteuern.
Wie wird sich die heimische Solarthermiebrache im internationalen Vergleich in den nächsten Jahren darstellen?
Die heimische Branche zählte in der Vergangenheit gemeinsam mit der deutschen Branche zu den europäischen Spitzenreitern, eine nach wie vor hohe Exportquote von rund 80% belegt dies. Zukünftig wird entscheidend sein, wie sich der Preis der Anlagen entwickelt. Werden keine relevanten Preissenkungen erreicht, besteht ähnlich wie bei der Photovoltaik die Gefahr, dass ausländische Unternehmen Anlagen günstiger anbieten können und die heimsiche Branche Schaden nimmt.
Gründungsmitglied und Geschäftsführer von AEE - Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC)
seit 2010: Vorsitzender des IEA Solar Heating and Cooling Programme
seit 2010: Vorstandsmitglied der Europäischen Technologieplattform für Heizen und Kühlen mit Erneuerbaren Energieträgern
federführende Mitwirkung an der Entwicklung der Europäischen Forschungsagenda für Solarthermie
seit 2007: Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Wien
seit 2007: Mitglied des Peer Review College of the Danish Council of Strategic Research