DI Martina Prechtl-Grundnig

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In diesem Gespräch der Experteninterviewserie wurde mit Frau DI Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Vereins Kleinwasserkraft Österreich gesprochen.

Der Verein Kleinwasserkraft Österreich vertritt die Interessen der Kleinwasserkraftwerksbranche (Kleinwasserkraftbetreiber, -planer und -zulieferindustrie), ist als gemeinnütziger Verein nach dem Vereinsgesetz organisiert und finanziert sich aus den Beiträgen von rund 1.000 Mitgliedern.


Wie beurteilen Sie den Satus der Kleinwasserkrafttechnologie in Österreich im internationalen Vergleich?

Wenn man von der Kleinwasserkrafttechnologie spricht, spricht man im Allgemeinen von der Wasserkrafttechnologie insgesamt. Diese Technologie ist international gesehen gut ausgereift und in Österreich lang bewährt. Entwicklungen und Forschungsvorhaben in diesem Bereich gibt es zwar weiterhin, aber hier sind nicht mehr große Quantensprünge zu erwarten.

Was das Angebot an Wasserkrafttechnologie anbelangt, findet sich Österreich im internationalen Spitzenfeld. Es gibt einige renommierte, international tätige Firmen in Österreich. Da Österreich ein „Wasserkraftland“ ist, hat sich über die Jahre der Anwendung hohes Know-how in allen Bereichen der Wasserkraft entwickelt. Dieses reicht von der Planung bis hin zur Herstellung von einzelnen Komponenten in der Zulieferindustrie, wie etwa dem Turbinenbau.


Wie schätzen Sie den derzeitigen Ausbaugrad der Kleinwasserkraft in Österreich ein?

Wir haben in Österreich bereits einen hohen Ausbau der Wasserkraft erreicht. Trotzdem bin ich überzeugt, dass weiteres ausbauwürdiges Potential vorhanden ist. Wichtig hierbei ist, Projekte im Einklang mit der Natur und den Gewässern umzusetzen. Die Kleinwasserkraft Österreich bekennt sich zu einem guten Zustand der Gewässer, wie er auch durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) vorgegeben wird. Die ökologische Funktionsfähigkeit der Gewässer ist nicht erst durch die EU-Gesetzgebung vorgeschrieben, sondern war bereits vorher Bestandteil des österreichischen Wasserrechts. Dieses Bewusstsein um die ökologischen Aspekte ist aber nicht nur ein rechtliches Thema, sondern auch ein gesellschaftliches.

Ich glaube, dass sowohl im Kraftwerksneubau noch Potenzial besteht, aber auch in der Revitalisierung von bestehenden Anlagen. Das heißt, bestehende Standorte werden technisch optimiert oder an bestehenden Standorten komplett neue Nutzungskonzepte entwickelt. Manche Kleinwasserkraftwerke wurden früher zum Beispiel so konstruiert, dass sie in einem Betrieb für den Direktantrieb von Maschinen genutzt wurden. Hier gibt es Möglichkeiten, mit einem ganz neuen Konzept das Wasserdargebot am Standort besser zu nutzen.

Eine im Zuge der österreichischen Energiestrategie durchgeführte Potenzialabschätzung kommt zu dem Schluss, dass ein Ausbaupotential für Strom aus Kleinwasserkraftanlagen von 2,5 TWh besteht. 0,7 – 1 TWh kommen dabei aus der Revitalisierung bzw. Reaktivierung von bestehenden Standorten.

Generell sehe ich aber flache Diskussionen um das Ausbaupotential sehr kritisch, da dieses immer von vielen Einflussfaktoren abhängt. Einerseits ist das technische realisierbare Potenzial von Bedeutung, andererseits spielt das unter ökologischen Gesichtspunkten vertretbare Ausbaupotenzial eine wichtige Rolle in der Diskussion, aber auch soziale, gesellschaftliche oder politische Faktoren beeinflussen das nutzbare Wasserkraftpotential. Konsequenz daraus ist, dass sich Potentiale im Wandel der Zeit und der Gesellschaft immer wieder verändern.


Wie beurteilen Sie die rechtliche Situation im Bereich der Kleinwasserkraft?

Die rechtliche Situation ist sicher in den letzten Jahren mit der Umsetzung der WRRL(c) istockphoto/Yuliyan Velchev komplizierter geworden. Es gibt eine Vielzahl von rechtlichen Rahmenbedingungen die neu geschaffen wurden. In manchen Fällen sind aber die bestehenden Rechtsvorgaben nicht ausreichend und Situationen müssen vor Ort fachgerecht beurteilt und Entscheidungen getroffen werden. Rechtliche Vorgaben und Leitfäden geben somit einen gewissen Rahmen vor, aber man kann sich nicht ausschließlich darauf zurückziehen. Es braucht immer auch noch eine individuelle standortbezogene Betrachtung und den Mut zu Entscheidungen.


Welchen Stellenwert hat Kleinwasserkraft Ihrer Meinung nach in der österreichischen Bevölkerung?

Befragungen zufolge sind ÖsterreicherInnen der Meinung, dass Wasserkraft (Klein- und Großwasserkraft werden von der Bevölkerung kaum unterschieden) eine gute Alternative im Bereich der Stromgewinnung ist. So wird in etwa die Atomkraft stark abgelehnt und die Wasserkraft als die bessere Option betrachtet. Weiteres ergaben Umfragen, dass die Bevölkerung noch ein Ausbaupotential sieht und der Meinung ist, dass dieses auch genutzt werden sollte. Wir haben in der Befragung auch gezielt nach möglichen Nachteilen der Stromgewinnung aus Wasserkraft gefragt. Dabei wurde erwähnt, dass ein möglicher Nachteil der Eingriff in die Natur sein könnte, und dass bei Projektrealisierungen darauf zu achten ist, dass dieser möglichst gering gehalten wird. Aber in vielen Fällen wurde auch ergänzt, dass die Vorteile der Wasserkraft die Nachteile bei weitem überwiegen.


Wie intensiv wird Kleinwasserkraft in Österreich aktuell ausgebaut?

Es gab in den letzten Jahren einen kontinuierlichen Anstieg an Kleinwasserkraftstrom, somit einen Zuwachs nicht nur aufgrund der Realisierung neuer Projekte sondern auch durch Revitalisierungsmaßnahmen. Dieser Produktionsanstieg ist allerdings nicht so dynamisch wie in der Windbranche oder wie bei der Photovoltaik. Wir gehen davon aus, dass sich dieser ansteigende Trend auch in Zukunft fortsetzen wird. Langsam, aber doch stetig. Aus den Rückmeldungen unserer Mitglieder sehe ich vor allem, dass durch die Umstellung des Ökostromgesetztes, womit es für kleine Kleinwasserkraftanlagen wieder die Möglichkeit auf eine Tarifförderung gibt, im Bereich der Kraftwerksrevitalisierung wieder mehr Dynamik erkennbar ist.


Wo liegen die größten Herausforderungen bei der Umsetzung von Kleinwasserkraftprojekten?

(c) istockphoto/Tim PohlDiese Frage kann man nicht pauschal beantworten. Oft sind es natürlich langwierige und schwierige Genehmigungsverfahren. Mitunter gibt es Projekte, in denen die technischen Herausforderungen überwiegen, zum Beispiel aufgrund von speziellen Standortbedingungen. Das ökologische Umfeld stellt in vielen Fällen eine Herausforderung dar. Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich stark ausgeprägt. Weiteres ist soziale Akzeptanz ein wesentlicher Faktor, die gesellschaftliche Komponente ist somit bei jeder Projektrealisierung mit einzubeziehen. Selbstverständlich spielen wirtschaftliche Fragestellungen eine entscheidende Rolle, oft sind diese eng mit technischen und ökologischen Fragestellungen verbunden.


Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Potenziale für die Kleinwasserkraftnutzung in der Zukunft? In welchen Bereichen gibt es Forschungs- und Entwicklungspotenzial?

Ein großes Thema ist die energetische Nutzung bestehender Querbauwerke, die bisher nicht der Stromproduktion dienten. Pumpspeicherung wird auch im kleinen Leistungsbereich ein Thema werden. Diese Themenfelder sind auch mit technologischen Herausforderungen verbunden.

Ein weiteres Entwicklungsthema sind Multifunktionsanlagen, also Systeme, die primär nicht der Energiegewinnung dienen mit der Energiegewinnung zu kombinieren. Das wird teilweise im Trinkwasser- oder im Abwasserbereich bereits getan.

Als wesentliche Forschungseinrichtungen sind im Bereich der Kleinwasserkraft Universitäten und Unternehmen selbst zu nennen. In vielen Fällen besteht eine intensive Zusammenarbeit dieser Player.


Sind in den nächsten Jahren Innovationen auf dem Gebiet der Kleinwasserkraft zu erwarten?

Es ist nicht davon auszugehen, dass komplett neue Technologien entwickelt werden um bestehende Konzepte zu ersetzen. Dennoch gibt es immer wieder interessante neue Entwicklungen in der Kleinwasserkraftindustrie. Auch im Zusammenhang mit ökologischen Begleitmaßnahmen gibt es Innovationen – wie etwa die Entwicklung einer Fischaufstiegsschnecke, mit der eine Durchgängigkeit der Gewässer für Fische gewährleistet wird und gleichzeitig Strom produziert werden kann.


Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft der Kleinwasserkraft in Österreich?

Die größte Herausforderung wird sicher in der Umsetzung der WRRL liegen, da diese einen Eingriff in bestehende Wasserrechte darstellt. Dabei geht es um Anlagen, die unter anderen rechtlichen Rahmenbedingungen errichtet worden sind und unter diesen Rahmenbedingungen ihre wirtschaftliche Kalkulation gemacht haben. Diese sind an neue Vorgaben anzupassen. Das bedeutet unter anderem nachträgliche Investitionen oder Energieproduktionseinbußen, beispielsweise durch eine Erhöhung der Restwasserdotation.

Die Aufgabe des Vereins Kleinwasserkraft Österreich ist es, den Bestand an Anlagen und die Stromproduktion zu sichern. Ein Ziel für den Verein in den nächsten Jahren ist es also, diesen Umbruch zu begleiten, sodass es zu keiner Existenzgefährdung unserer Mitglieder kommt.


Wie sind österreichische Unternehmen Ihrer Meinung nach im gesamten, vielfältigen Bereich der Umwelttechnologien, abseits der Wasserkraft, aufgestellt?

Es ist Österreich gelungen, sich in dieser Branche international zu etablieren. Es steht außer Streit, dass Österreich im Bereich der Umwelttechnologie ein Vorzeigeland ist. Österreich muss aber tunlichst darauf achten, dass hier Image und Realität nicht auseinanderklaffen. Teilweise kann man sich diesem Eindruck nicht entziehen.


Was ist für ein österreichisches Unternehmen notwendig, um in der Umwelttechnologiebranche eine nationale/internationale Spitzenposition einzunehmen?

Der Heimmarkt spielt eine sehr wichtige Rolle, da erfolgreicher Export auf einem guten Heimmarkt aufbaut. Eine umfassen Auslagerung von Produktionsstätten ist problematisch, da nur dort wo sich die Produktion befindet auch innovative Entwicklung stattfinden kann.

 

DI Martina Prechtl-Grundnig

DI Martina Prechtl-Grundnig (c) Kleinwasserkraft Österreich

2001: Absolvierung des Studiums der Landschaftsplanung und Landschaftspflege an der Universität für Bodenkultur Wien 

Dachverband der Absolventenverbände der niederösterreichischen landwirtschaftlichen Schulen

2002 - 2007: Geschäftsführerin des Energieparks Bruck an der Leitha

2007: Abschluss des postgradualen, berufsbegleitenden "MSc Program - Renewable Energy in Central and Eastern Europe“ an der Technischen Universität Wien.

seit 2007: Geschäftsführung Kleinwasserkraft Österreich

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