In diesem Teil der Experteninterviewserie wurde mit Herrn DI Heimo Aichmaier, Geschäftsführer von Austrian Mobile Power, gesprochen.
Austrian Mobile Power vereint Spitzenrepräsentanten aus den Bereichen Fahrzeugtechnologie, Systemanbieter, Energieversorger, Anwendertechnologien und Interessensvertretung der Elektromobilitätsbranche Österreichs.
Was verstehen Sie unter dem Überbegriff Elektromobilität?
Elektromobilität verbindet das Verkehrs- und Energiesystem und besteht aus drei Säulen: den Nutzer- und Anwendungsservices, den Fahrzeugen und der Infrastruktur. Marktfähige und bedarfsgerechte Angebote für die NutzerInnen sind für den Erfolg der Elektromobilität ausschlaggebend. Zu den Elektrofahrzeuge zählen ein- und zweispurige teil- und vollelektrische Fahrzeuge mit verschiedensten Antrieben, wie Hybridfahrzeuge, Fahrzeuge mit Range-Extender-Technik sowie reine Batteriefahrzeuge für verschiedene Anwendungsfälle die in Mopeds, Fahrräder, Motorräder, PKW, Lieferwägen, LKW, Busse sowie Straßen- und Eisenbahnen zum Einsatz kommen. Neben den Fahrzeugen ist eine entsprechende Infrastruktur zum Laden und zur Identifizierung, Autorisierung und Verrechnung notwendig. Unter Nutzung wird das intermodale Reisen von A nach B mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln verstanden.
Wie beurteilen Sie den Status der Elektromobilität in Österreich und international?
Elektromobilität ist ein Thema, das in den letzten Jahren international stetig an Bedeutung gewonnen hat und befindet sich derzeit in der Phase intensiver Produktentwicklungsarbeit und beginnenden Markthochlaufs. Asien, Nordamerika und Europa sind wichtige Testmärkte.
Erste Produkte aus Kleinserien sind verfügbar, Serienproduktionen sind weltweit gerade bei Fahrzeugen und deren Komponenten im Aufbau. Auf Österreichs Straßen sind zurzeit rund 1.300 Batteriefahrzeuge und über 6.000 Hybridfahrzeuge zugelassen. In anderen europäischen Ländern ist eine ähnliche Marktdurchdringung wie in Österreich zu finden.
Österreich ist ein für Elektromobilität prädestiniertes Land in Europa, da der heimische Strommix mit einem Anteil von über 69% aus erneuerbaren Energien besteht. Diesen Vorsprung gilt es zu nutzen und darauf aufbauend verstärkt in Forschung-, Entwicklung und Produktion zu investieren, um zukunftsfähige Technologien und Produkte aus Österreich am Weltmarkt zu etablieren.
Wo sehen Sie die österreichische Elektromobilitäts-Branche im internationalen Vergleich?
Österreichische Unternehmen im Bereich der Fahrzeug-, Energie- und Systemtechnik, entwickeln und produzieren Komponenten-, Bauteile und Systeme die weltweit zum Einsatz kommen. Fahrzeugtechnik, Elektrotechnik, Steuer- und Regelungstechnik, Batterieassemblierung und –management sowie Werkstoff- und Materialtechnik sind Elemente der Elektromobilität, in denen heimische Unternehmen führend dabei sind. Die Märkte für diese Technologiebereiche finden sich vorwiegend im Ausland, der Heimmarkt ist jedoch ein wesentlicher Motor. Für die Sicherung des Standortes und von Arbeitsplätzen ist somit in erster Linie nicht die Anzahl der Elektrofahrzeuge auf Österreichs Straßen entscheidend, sondern der internationale Erfolg heimischer Forschung, Wirtschaft und Industrie.
In der Austrian Mobile Power ist ein Querschnitt der Leitindustrien im Bereich der Elektromobilität zu finden. Dazu zählen beispielsweise die Steuerungs- und Regelungstechnik (Siemens AG, Fronius GmbH), Halbleitertechnologie (Infineon AG), Ladesäulen/Ladetechnik (ABB, Schrack, Hager, Siemens AG), Fahrzeugtechnik und -produktion (KTM, AVL List, Magna) oder Forschung und Entwicklung (AIT Austrian Institute of Technology) aber auch Energieversorger (EVN, Wien Energie, Verbund, TIWAG, Kelag, Linz AG) und System- und Produktanbieter (A1 Telekom, Raiffeisen Leasing, REWE, Beko). Aufgrund des Know-Hows der angesprochenen Unternehmen in den Leitindustrien können Arbeitsplätze in Österreich zukünftig gesichert bzw. ausgebaut werden.
Wie wird sich Elektromobilität Ihrer Meinung nach zukünftig entwickeln?
In Zukunft wird vor allem das Thema der Interoperabilität aber auch der Intermodalität eine wichtige Rolle spielen. Sprich der betreiberunabhängigen Nutzbarkeit von Mobilitäts- oder Ladeangeboten. Aber auch das unkomplizierte Wechseln zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln sowie die Kombination zwischen Auto und öffentlichem Verkehr werden durch die E-Mobilität attraktiver.
Elektromobilität bedingt aber auch die Betrachtung des bestehenden und zukünftigen Energiesystems, da die Herkunft, Verteilung, Speicherung und Abgabe (inkl. Abrechnung) der notwendigen Energie relevante Punkte der Elektromobilität sind, um elektrische Speicher bedarfsgerecht zu laden.
Grundsätzlich wird es aber zahlreiche technische Lösungen von Elektrofahrzeugen geben, die alle einen elektrifizierten Antrieb gemein haben, aber unterschiedliche Kombinationen von On-Bord Energiespeicher (Batterie, flüssige oder gasförmige Kraftstoffe, Wasserstoff etc.) anbieten werden. Dafür bedarf es vieler neuer Entwicklungen die zur Effizienzsteigerung in Fahrzeugen beitragen werden.
Zukünftig wird es wichtiger, dass fahrzeugseitige Entwicklungen mit Infrastrukturentwicklungen und -investitionen zusammenpassen. Dies kann nicht nur über Normung und Standardisierung erfolgen, vielmehr bedarf es neuer strategischer Allianzen die zukünftig eine wichtige Rolle spielen werden.
Wo wird man in Zukunft sein Elektrofahrzeug aufladen können?
Es zeigt sich immer deutlicher, dass über 90 % der Ladevorgänge an nicht öffentlichen oder nicht öffentlich zugänglichen Orten stattfinden werden, sprich am Wohnort, am Arbeitsplatz und am Parkplatz von Unternehmen. Dadurch wird im öffentlichen Bereich wenig Ladeinfrastruktur benötigt werden, aber diese tragen gerade zu Beginn mehr zur Bewusstseinsbildung und später zur Mobilitätsverhaltensänderung bei.
Die Errichtung von Ladepunkten muss daher genau geplant und an den sich ändernden Kundenbedürfnissen angepasst werden. Frequentierte Verkehrsknotenpunkte sind dabei zu identifizieren, beispielsweise Garagen- und Park&Ride-Anlagen. Öffentliche Unterstützung für den Ausbau intelligenter Ladeinfrastruktur durch die öffentliche Hand ist anfangs zu begrüßen, sofern diese Kriterien der Interoperabilität und betreiberübergreifenden Funktionalität sicherstellt, andernfalls wären dies Fehlinvestitionen auf Kosten der Steuerzahler.
Wie lange werden Ladevorgänge zukünftig dauern?
Generell gibt es drei Varianten den Ladevorgang durchzuführen: die Normalladung, das Semi-schnell Laden und das Schnellladen. Als Kompromiss zwischen Batterielebensdauer und Ladezeit, aber auch der Energienetze, werden im öffentlichen Raum aus derzeitiger Sicht insbesondere Semi-schnell-Ladestationen Einzug halten. Vereinzelt wird es auch Schnellladestationen geben müssen, allein schon aufgrund des Mobilitätsbedarfs der Menschen.
Wo liegen die größten Herausforderungen bei der Implementierung von Elektromobilität in Österreich?
In Zukunft wird es wichtig sein, ein intelligentes Anreizsystem zu schaffen, in dem sich direkte und indirekte Politikinstrumente verstärken. Österreich braucht ein Zusammenspiel aus verkehrs-, energie-, standort- und umweltpolitischen Maßnahmen um Elektromobilität zielgerichtet voranzutreiben. Diese müssen ineinandergreifen, dürfen nicht miteinander konkurrieren oder „als Gießkanne“ wirken.
Wichtig ist es, Nachfrage zu stimulieren, um Skaleneffekte und damit günstigere Preise zu erzielen. Elektrofahrräder wurden erfolgreich unterstützt und haben sich am Markt etabliert. Ähnliche Anreize wird es zur richtigen Zeit auch für zweispurige Fahrzeuge brauchen, allerdings anwendungsspezifischer.
Für Österreich ist es besonders wichtig in Forschung und Technologieentwicklung zu investieren, damit auch weiterhin Komponenten aus Österreich am Weltmarkt als qualitativ hochwertige Spitzenprodukte gelten. Je mehr Produkte - wie Fahrzeuge und Systemlösungen - weltweit verkauft werden in welchen Wertschöpfung aus Österreich enthalten ist, desto besser für den Standort Österreich.
Um Elektromobilität beim Endverbraucher bekannter zu machen ist verstärkte, zielgruppengerechte Kommunikation nötig, die dem Stand des Marktes entspricht. Es muss ehrlich vermittelt werden, welche Produkte zu welchem Preis und zu welchem Zeitpunkt verfügbar sein werden.
Welche rechtlichen Voraussetzungen würden die Implementierung von Elektromobilität in Österreich forcieren?
Die Bundesregierung hat im Sommer 2012 den Umsetzungsplan Elektromobilitätverabschiedet, darin enthalten ist unter anderem das Bekenntnis zu einem intelligenten Anreizsystem. Ein solches Anreizsystem muss Förderungen und legistische Rahmenbedingungen in einen Wirkungszusammenhang stellen. Dafür braucht Österreich eine detailliertere Forschungs-, Förder- und Umsetzungsroadmap. Rahmenbedingungen müssen so geschaffen werden, dass Produkte der Elektromobilitätsbranche am Markt nachgefragt werden. Eine Möglichkeit, Elektrofahrzeuge vermehrt zum Einsatz zu bringen ist beispielsweise die Anwendung in Flotten. Seitens der Politik sind entsprechende Ansätze gemeinsam und abgestimmt zu setzen, damit Flotten zukünftig aus möglichst umweltfreundlichen Fahrzeugen bestehen.
Welche Rolle spielt der Netzausbau für die Elektromobilität?
Die Energienetze der Zukunft werden intelligenter werden (Stichwort smart grids). Die Übertragung, Verteilung, Steuerung und Regelung von Strömen bedarf aufgrund erneuerbarer Energiequellen oder alternativer Speicher, wie durch E-Fahrzeuge, neuer Managementlösungen. Kurzfristig ist der Netzausbau für die Elektromobilität kaum relevant, langfristig schon. Weiters sind in den bestehenden Ausbauplänen ausreichend erneuerbare Energieträger vorhanden um den prognostizierten Bedarf an sauberen Strom für Elektromobilität zu decken, sodass kurz- bis mittelfristig keine Engpässe bei der bilanziellen Bereitstellung von erneuerbarer Energie geben ist. Handlungsbedarf für Netzbetreiber und Energieversorgungsunternehmen gibt es im Bereich von Ladepunkten, einerseits hinsichtlich der Errichtung, der Netzintegration und –management und andererseits hinsichtlich Autorisierung- und Abrechnung.
Wie intensiv wird in Österreich an dieser Thematik geforscht?
Da Elektromobilität einerseits technologische und andererseits auch verhaltensbezogene Komponenten aufweist, wird in verschiedenen Bereichen geforscht. In der sozialwissenschaftlichen Forschung und Verkehrsplanung stehen Themenfelder wie Nutzerverhalten, Verkehrsvermeidung (Verringerung von Leerfahrten etc.) oder die Entwicklung von attraktiven Angeboten für intermodale Verkehrskonzepte im Vordergrund. Die technische Forschung und Entwicklung fokussiert sich auf Antriebstechnik, Fahrzeugbau, KFZ-Technik sowie auf Steuerungs- und Regelungstechnik und Energiespeicher.
Ein großer Teil der Entwicklungsarbeit erfolgt in Unternehmen, aber auch an Universitäten und im außeruniversitären Bereich wird intensiv an dieser Thematik geforscht. Die Forschungslandschaft im Bereich der Elektromobilität ist durch intensive Kooperationen von Unternehmen mit Universitäten/außeruniversitären Forschungseinrichtungen gekennzeichnet.
Welche Innovationen sind in den nächsten Jahren auf dem Gebiet der Elektromobilität zu erwarten?
Die schrittweise Weiterentwicklung bestehender Produkte wird es in allen Bereichen der Elektromobilität geben. Durch gesteigerte Nachfrage ist überdies zu erwarten, dass gänzlich neue Geschäftsmodelle entstehen, die dem Nutzer Mobilität und Energie zur richtigen Zeit am richtigen Ort leicht zugänglich machen. Vor allem im Bereich der Abrechnung und Authentifizierung werden Entwicklungen stattfinden. Aus technischer Sicht werden neue Fahrzeugmodelle und –typen auf den Markt gebracht werden um Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Die Innovationstreiber in Österreich sind sowohl KMU als auch große Unternehmen.
Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft von Austrian Mobile Power in Österreich?
Die Austrian Mobile Power erwartet, dass sich Elektromobilität am Markt etabliert und nutzergerechte Angebote entstehen. Rahmenbedingungen müssen auf diese Marktdurchdringung ausgerichtet werden damit Nachfrage zeitnahe entsteht. Am Wichtigsten ist ein langfristiges Commitment und konsequentes Handeln, um die imUmsetzungsplan Elektromobilität dargestellten Maßnahmen (Forschung, Förderung, Nachfragegenerierung) auch zu realisieren.
DI Heimo Aichmaier
bis 2009: Nationaler Experte am Office für Science and Technology in Washington D.C. (zuständig für den Informationsaustausch zur Elektromobilität zwischen Österreich und den USA)
bis 2012: Koordinator der Elektromobilität im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
seit 2012: Geschäftsführer der Austrian Mobile
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