DI (FH) DI Karl-Peter Felberbauer & DI Dr. Gerfried Jungmeier

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In diesem Gespräch der Experteninterviewserie wurde mit Herrn DI (FH) DI Karl-Peter Felberbauer und Hern DI Dr. Gerfried Jungmeier von der JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH gesprochen. Die beiden Herren sind Co-Autoren der Studie Energiespeicher der Zukunft.

Die JOANNEUM RESEARCH ist eine unternehmerisch orientierte Innovations- und Technologieanbieterin, die seit mehr als dreißig Jahren Spitzenforschung auf internationalem Niveau betreibt. Mit dem Fokus auf angewandte Forschung und Technologieentwicklung nimmt sie eine Schlüsselfunktion im Technologie- und Wissenstransfer in der Steiermark ein.

Welche Rolle ordnen Sie der Entwicklung und Etablierung von Energiespeichersystemen in Österreich im Zusammenhang mit dem Energiesystem der Zukunft zu?

Felberbauer (F): Österreich wird als die „grüne Batterie“ Europas bezeichnet, da wir durch die geografischen Rahmenbedingungen der Alpen begünstigt sind. Dadurch ergibt sich schon ein gewisses Potenzial an Pumpspeicherkraftwerken. Der Ausbau dieser bestehenden Pumpspeicher ist geplant, bzw. das Aufrüsten von Speicherkraftwerken ohne Pumpe zu Pumpspeicherkraftwerken. Österreich wird damit zukünftig europaweit auf jeden Fall eine wichtige Rolle spielen, vor allem im Zusammenhang mit der Situation Deutschland, wo der Ausbau der erneuerbaren Energien sehr schnell stattfindet.

Im Niederspannungsverteilnetz können elektrochemische Energiespeicher (Batterien) immer wichtiger werden. Als dezentrale Energiespeichertechnologie können aber neben Batterien auch andere Technologien wie Schwungräder oder Kondensatoren für kurzzeitige Speicherung eingesetzt werden. Wichtig bei diesen neuartigen Technologien ist die Frage nach der Implementierbarkeit, bzw. wie kann eine Technologie eingesetzt werden, wenn derzeit die Kosten nicht wirtschaftlich darstellbar sind.

Jungmeier (J): Neben der Speicherung von elektrischer Energie ist auch die Speicherung von Wärme (zB als warmes und heißes Wasser) ein wichtiges Thema. Solarenergie, welche entsprechende Wärmemengen liefern kann fällt größtenteils im Sommer an, soll aber auch verstärkt in der Übergangszeit und im Winter genutzt werden. Eine Speicherung der Wärme über mehrere Monate ist somit dringend notwendig.

Wie ist die Speichertechnologie im Gesamtsystem der Energieversorgung zu sehen?

F: Vorweg muss man folgendes bedenken: aus wirtschaftlicher Sicht ist der gesamtheitliche Ansatz wichtig. Zuerst sollen andere Möglichkeiten im Gesamtsystem zur Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie ausgeschöpft werden, da jeder Einsatz einer Speichertechnologie mit Verlusten verbunden ist.

J: Wichtig ist deshalb, die Energie dann zu nutzen wenn Sie erzeugt wird, dadurch fallen keine Verluste und Zusatzkosten durch die Speicherung an. Somit ist das Thema der Lastverschiebungen ein entscheidendes, eine Nutzung bei gleichzeitigem Verbrauch ist anzustreben.

J: Im Zusammenhang mit der Wärmespeicherung ist zu beachten, dass der Heizwärmebedarf von Gebäuden laufend zurückgeht. Dadurch muss weniger Wärme gespeichert werden, geringere Speichervolumina werden nötig. Entwicklungen in unterschiedlichen Industriesektoren laufen somit parallel und beeinflussen sich gegenseitig.

Wo sehen Sie die größten Speicherpotenziale in Österreich?

F: Im Bereich der großtechnischen elektrischen Speicher gibt es noch Potenzial im Bereich der Pumpspeicherung. Im dezentralen Bereich wird die elektrische Energiespeicherung immer wichtiger, bedingt durch die dezentrale Einspeisung von Strom aus Photovoltaik.

(c) Verbund

Welche Speichertechnologien kommen derzeit zum Einsatz?

J: Pumpspeicher lassen sich aufgrund der guten Wirkungsgrade schon jetzt wirtschaftlich gut darstellen. Alle anderen neuen Technologien im Stromspeicherbereich sind mit höheren Kosten verbunden, da der Stand der Technik noch nicht ausgereift ist.

F: Neben den bereits erwähnten Pumpspeicherkraftwerken kommen im thermischen Bereich in erster Linie Wasserspeicher zum Einsatz, diese sind bereits Stand der Technik. Meist werden Sie durch Solarkollektoren gespeist und dienen als Pufferspeicher für die Warmwasseraufbereitung und Heizungsunterstützung.

Welche sind die Speichertechnologien der Zukunft?

J: Im großtechnischen Bereich werden auch weiterhin die Pumpspeicher in Österreich von größter Wichtigkeit bleiben. Im dezentralen Bereich wird die Batterietechnologie, da sehr anwendungsnahe, eine hohe Bedeutung erlangen. Im Bereich der thermischen Speicherung wird der Heißwasserspeicher nach wie vor eine wichtige Rolle spielen, vor allem beim Wärmetransport vom Sommer in den Winter. Für große Wärmemengen muss die Technik noch besser implementiert werden.

F: Als „neuartige“ Technologie sind im Wärmebereich beispielsweise die Latentwärmespeichertechnologie und die thermochemische Energiespeicherung  zu nennen. Diese haben den Vorteil der höheren Energiedichte gegenüber herkömmlichen Wasserspeichern. Weiters zeichnen sie sich durch geringere Wärmeverluste aus da die Temperatur im Speicher konstant ist. Da mehr Energie auf weniger Platz gespeichert werden kann erhöht sich das Anwendungspotenzial. Das Problem der Latentwärmespeichertechnologie ist unter anderem aber die schlechte Wärmeleitfähigkeit (im Vergleich zu Wasserspeichern), an einer Optimierung wird, unter anderem in Österreich, geforscht. Der Durchbruch in diesem Bereich wird erhofft. Aber auch an „klassischen“ Technologien wird geforscht, wie beispielsweise an der Optimierung des Wasserspeichers. So soll die Isolation beispielsweise durch Vakuumtechnologie verbessert werden.

Im elektrischen Bereich ist es schwer eine Speichertechnologie zu identifizieren, die sich besonders gut eignet, da es eine sehr breite Palette von Technologien mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen gibt. Wo viel geforscht wird ist die Lithium-Ionen Technologie, da diese Technologie auch im Zusammenhang mit E-Mobilität ein wichtiges Thema ist. Allerdings ist es schwer zu sagen ob die Entwicklungen im Bereich der Batterien für E-Mobilität in den stationären Bereich Einzug erhalten.

Im großtechnischen Bereich sind auch noch Druckluftspeicher ein Thema. Weltweit sind derzeit zwei Demonstrationsanlagen diabater Druckluftspeicher realisiert.

Weiters kann durch die Elektrolyse mittels erneuerbarem Strom Wasserstoff hergestellt werden, welcher wiederum in Druckgefäßen gespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt mittels Brennstoffzelle nutzbar gemacht werden kann (zB im Auto oder Kraftwerk). Ein Problem der Druckluft- und Wasserstoffspeichertechnologie ist, dass diese bei weitem nicht an Wirkungsgradbereiche der Pumpspeicher herankommen.

Ein weiterer Hoffnungsträger sind sogenannte „Solarfuels“. Dabei wird der durch erneuerbaren Strom erzeugte Wasserstoff in einem zusätzlichen Prozessschritt durch Hinzufügen von CO2 methanisiert. Das entstehende Methan könnte man dann ins bestehende Erdgasnetz einspeisen bzw. in bestehenden Erdgasspeichern lagern.  Diese Methanisierung ist mit weiteren Verlusten verbunden, dadurch ist noch mehr Einsatz von erneuerbarer Energie notwendig.

J: Wichtige Energiespeicher sind biogene Brennstoffe (Scheitholz, Pellets, Biogas etc.). Die darin chemisch gebundene Energie kann genau dann verwendet werden, wenn der Bedarf an Strom und Wärme vorhanden ist. Möglich wäre dadurch eine Kombination von einer Photovoltaik-Anlage mit einer Biogasanalage. Wenn die Sonnenenergie nicht verfügbar ist, springt die Biogasanalage zur Stromversorgung ein. Biogene Brennstoffe können somit gut mit fluktuierenden Energieerzeugungsmöglichkeiten (Sonne, Wind) kombiniert werden. Das ist ein wichtiger Schlüssel für unsere zukünftigen Forschungsaktivitäten und hier arbeiten wir mit der Industrie im Bereich flexibler und schnell regelbarer thermischer Kraftwerke zusammen.

F: Thermochemische Speicher (Adsorption- und Absorptionswärmespeicher) sind nur mittel- bis langfristig eine Alternative, da derzeit die Technologie noch nicht ausgereift ist.

J: Förderungen wären eine Möglichkeit diese neuen Technologien weiter voranzutreiben. Eine andere Möglichkeit ist die Erhöhung der Energiepreise, das wäre sehr wirksam allerdings wohl auch eine sehr unpopuläre Maßnahme.

Welchen Stellenwert haben soziale und ökologische Argumente in der Speichertechnologie?

J: Im Hinblick auf soziale und ökologische Verträglichkeit nehmen Pumpspeicher eine Sonderstellung ein, da sie tiefe Einschnitte in die Landschaft/Ökologie darstellen. Alle anderen Speichertechnologien weisen in diesem Zusammenhang kaum Konfliktpotenzial auf.

F: Wichtig ist die Effizienz der Speicher um die ökologischen Vorteile darzustellen, da aufgrund der unvermeidbaren Verluste für jeden Speichervorgang mehr Energie erzeugt werden muss als dann tatsächlich genutzt werden kann. Natürlich ist es auch aus ökologischer Sicht ein Unterschied, ob Strom aus einem Kohlekraftwerk oder Windstrom eingespeichert wird.

Wo liegen die größten Herausforderungen in der Speichertechnologie?

F: Eine Herausforderung bei sämtlichen Speichertechnologien (auch bei den bereits etablierten wie Pumpspeicherkraftwerken) ist es, die Verluste zu minimieren. Wichtig ist auch die Erhöhung der Energiedichten um die Anwendung in der Praxis zu erleichtern und dadurch neue Nutzungspotenziale zu realisieren.

Wie bereits erwähnt, müssen im Zusammenhang mit der Einspeisung von erneuerbarem Strom ins Stromnetz zuerst Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die auf eine Produktion bei gleichzeitigem Bedarf abzielen. Den Speichertechnologien wird überdies hohe Hoffnung zugerechnet um einen zukünftigen Netzausbau teilweise zu kompensieren. Das betrifft vor allem den in immer größeren Mengen ins Niederspannungsnetz eingespeisten PV-Strom. Die Produktionsspitzen um die Mittagszeit könnten mittels Speicher abgefangen werden, das sind dann im Wesentlichen Batteriespeichersysteme für die Speicherung über mehrere Stunden bis zu Tagen hinweg. Diese können direkt beim Endverbraucher stehen oder für ganze Siedlungen zusammengefasst werden. Schwungradspeicher können hingegen nicht sehr viel Energie über längere Zeit effizient speichern und sind für die kurzfristige Stromspeicherung ein Thema.

Von welchen technologischen Fortschritten/Entwicklungen gehen Sie in den nächsten 10 Jahren aus?(c)iStockPhoto Henrik Jonsson 

J: Aufgrund der Entwicklungen der Batterietechnik im Elektromobilitätsbereich erwarten wir auch entsprechende positive Entwicklungen im stationären Bereich. Vor allem was die Kostenreduktion und Lebensdauer bei Lithium-Ionen Batterien betrifft. Wichtig um Innovation voran zu treiben ist die Massenproduktion. Vor allem im Zusammenhang mit der dezentralen Photovoltaikstrom-Erzeugung kann sich da in den nächsten 10 Jahren viel tun.

Im Bereich der Wärmespeicher verbessern wir mit Partner zusammen  die thermische Isolation von Wasserspeichern weiter. Dazu haben wir einen sogenannten „Thermoskannen-Speicher“ entwickelt mit dem Ziel eine technisch leicht herzustellende gute Isolierung zu entwickeln. Vor allem für den Heizungsbereich werden Heißwasserspeicher auch zukünftig ein wichtiges Thema sein.

F: Im Strombereich wird die Entwicklung von intelligenten Netzen eine wesentliche Rolle für die Speichertechnologie bzw. für die Anforderungen an Speicher stellen.

J: Wichtig in diesem Zusammenhang sind die herrschenden Rahmenbedingungen:

  • wie entwickelt sich der Anteil erneuerbarer Energie
  • was werden Öl und Gas in den nächsten Jahren kosten
  • Wird es eine CO2 Steuer geben, wie werden erneuerbare Energie gefördert etc.

Diese Rahmenbedingungen können Innovation stimulieren und die Chancen für regenerative Energiequellen erhöhen. Damit verbunden ist natürlich auch die Rolle der Speichersysteme.

Welche Maßnahmen von welchen Akteuren sind notwendig um die angesprochenen Zukunftspotenziale zu realisieren?

J: Der Industrie- und Anlagenbau ist gefordert, da Firmen benötigt werden um diese Anlagen (egal ob Pumpspeicher oder Batteriespeicher) zu errichten. Dann sind natürlich der Markt und die Kunden wichtige Akteure, da die Nachfrage auch technologische Entwicklungen fördern kann. Im Energiebereich läuft diese Anpassung an neue Technologien leider langsamer als in anderen Bereichen, zB  in der Handy-Technologie, wo für neueste Technik gerne beträchtliche Mehrsummen ausgegeben werden. Somit ist ein gesellschaftliches Umdenken im Bereich der Energieversorgung, und damit im Energiespeicherbereich notwendig.

Wie sind österreichische Unternehmen in der Speichertechnologie aufgestellt?

F: Im Wasserkraftwerksbereich sind heimische Firmen im Komponenten-Bereich (Generator- und Turbinenbau) gut aufgestellt, da das Thema historisch und geografisch bedingt in Österreich wichtig ist. Im Batteriebereich gibt es kleinere Unternehmen, die sich im Nischenbereich einer speziellen Technologie widmen und in der Regel Kooperationen mit größeren Unternehmen eingehen.  

Im Wärmebereich sind österreichische Firmen bei der Warmwasserspeichertechnologie sehr gut aufgestellt.

An welchen Technologien wird in Österreich geforscht und wer sind die relevanten Player?

F: Im Bereich der thermischen Energiespeicherung sind vor allem das  AIT – Austrian Institute of Technology, AEE – Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie sowie das ASIC – Austria Solar Innovation Center zu nennen. Im Batteriebereich ist die  TU GRAZ ein wichtiger Player, im Bereich der Schwungradspeicher die  TU Wien.

J: Projekte mit der Industrie gibt es beispielsweise mit VARTA, EVN (erneuerbare Methanproduktion).

Bei JOANNEUM RESEARCH steht die praxisnahe angewandte Forschung im Vordergrund. Vor allem die Pump- und Batteriespeicher sind aus Forschungssicht für Österreich interessant. Batteriespeicher werden vor allem im Zusammenhang mit Smart Grids immer wichtiger, da ist noch viel Forschungsbedarf gegeben.

Welchen Einfluss hat derzeit die Elektromobilität auf die Anforderungen an Speichertechnologien?

J: Hinsichtlich der Entwicklung der E-Mobilität ist es schon ein großer Fortschritt der letzten Jahre, dass es jetzt schon serienreife E-Fahrzeuge gibt. Die Frage wird sein, wie sich die Kosten dieser Technologie in den nächsten Jahren entwickeln. Davon abhängig wird der Rückfluss an Innovation in die stationäre Speicherung sein.

Welche Rolle spielen Speichersysteme international, beispielsweise in Deutschland?

F: Erhöhten Handlungsbedarf hat Deutschland aufgrund des massiven Ausbaus an erneuerbaren Energien und der damit verbundenen Belastung des Netzes. Deshalb ist auch die Forschung sehr an diesem Thema interessiert, es stehen 200 Millionen € an Forschungsgeldern zur Verfügung um dieses Thema voranzutreiben. Auf Bestreben der großen EVUs werden in Deutschland unterschiedliche Speichertechnologien wie z.B. die Druckluftspeichertechnologie in der Entwicklung vorangetrieben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es derzeit einige wenige etablierte Speichertechnologien gibt (Pumpspeicher, Batteriespeicher, Heißwasserspeicher) und eine Reihe weiterer Technologien, die derzeit noch im Forschungsstadium bzw. Versuchsanlagenstatus stecken. Für heimische Forschungseinrichtungen und Technologieproduzenten ergeben sich dadurch viele zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten.

DI (FH) DI Karl-Peter Felberbauer

  • 2005-2009: Studium Infrastrukturwirtschaft mit der Vertiefung Energie- und Umwelttechnik an der FH JOANNEUM
  • 8/08 - 01/09: AEE - Institut für Nachhaltige Technologien in Gleisdorf in der Abteilung für Messtechnik
  • Seit 05/2001: wissenschaftlicher Mitarbeiter bei JOANNEUM RESEARCH am Institut RESOURCES in der Forschungsgruppe Energieforschung
  • 09/2009 bis 10/2011: Masterstudium „Nachhaltige Energiesysteme“ an den Fachhochschulstudiengängen Burgenland in Pinkafeld

 

DI Dr. Gerfried Jungmeier

  • Studium Maschinenbau an der Technischen Universität Graz
  • seit 2006: Key-Researcher des Forschungsbereiches “Energiesysteme und Strategien” in der Energieforschung, JOANNEUM RESEARCH
  • seit 2007: Mitarbeit in der Internationalen Energieagentur (IEA): National Team Leader in der IEA Bioenergy Task 42 „Biorefinery“
  • Operating Agent der Task 19 „Life Cycle Assessment of Electric Vehicles“ des IEA Implementing Agreement „Hybrid and Electric Vehicles“ (HEV)
  • Österreichsicher Vertreter im Annex 40 “Life Cycle Analysis of Transportation Fuel Pathways” of IEA “Advanced Motor Fuels” (AMF)
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